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Am 11. November wird das Martinsfest gefeiert – eine Mischung aus volkstümlichem Brauchtum und Heiligenverehrung.
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Der Gedanke scheint aktueller denn je. Wir leben im Wohlstand. Millionen suchen bei uns Zuflucht, und trotzdem ist sich unsere Gesellschaft, die sich in ihrem Selbstverständnis christlichen Werten verpflichtet fühlt, über die Verantwortung nicht einig. Das Sankt-Martins-Brauchtum scheint zur leicht konsumierbaren Folklore verkommen und im Bewusstsein mancher Veranstalter so beliebig, dass Kitas den Martinsumzug schon in Lichterfest umtaufen, um auch wirklich jedem gerecht zu werden.
"Dort, wo man sich Mühe gibt und den Kindern erklärt, was es mit dem heiligen Martin auf sich hat und den Gedanken des Teilens vermittelt, kommt das auch an", sagt der aus Düsseldorf stammende katholische Theologe Manfred Becker-Huberti. Dagegen hätten seiner Erfahrung nach auch muslimische Eltern nichts. Und jene, die keiner Kirche angehören? "Das Wissen, dass man den Armen helfen muss", sagt Becker-Huberti, "ist doch konfessionslos übergreifend, damit kann man alle erreichen."
Umso mehr, als die Rituale des Martinsfestes nicht unmittelbar einer christlichen Tradition entspringen, woran der Theologe übrigens gar nichts auszusetzen hat. Schon gar nicht ist das gleich bedeutend mit einer Profanisierung oder Entwertung. "Eine Entwertung von Brauchtum findet eigentlich immer nur dann statt, wenn einer dahinter steht, der es zu seinem Vorteil finanziert", findet Becker-Huberti. Bei Sankt Martin sei das nicht der Fall, auch wenn der eine oder andere Bäcker dem örtlichen Kindergarten Weckmänner spendiert.
Die einzelnen Bestandteile des Festes, das wir am 11. November begehen, sind stark im volkstümlichen Brauchtum verankert. Das Laternenlaufen gibt es seit dem Mittelalter als einen Umzug der Kinder mit Fackeln; er wurde wegen der Gefahr, die das offene Feuer darstellte, in der Aufklärung verboten. "Danach setzte sich die Überzeugung durch", erklärt Becker-Huberti, "dass es besser sei, dem Volk einen geordneten Umzug durch die Gemeinden zu gestatten." Stark vertreten war und ist diese Tradition in Deutschland in den ursprünglich von den Franken besiedelten Gebieten, also im Westen und im Südwesten. In Erfurt wird das Martinsfest im Andenken an Martin Luther hochgehalten, der am 11. November 1483, dem Tag seines Namenspatrons, getauft worden war.
Die Protestanten unterscheiden zwar gerne zwischen den katholischen Heiligen und den gemeinsamen Heiligen. Da der heilige Martin zudem der Namenspatron Martin Luthers ist, ist diese Vereinnahmung ein Beispiel dafür, so Becker-Huberti, wie sich in der Verschiedenheit das Gemeinsame leben lasse.
An die Stelle der von Kindern getragenen Fackeln traten im Rheinland dann geklaute Futterrüben. "Daraus bastelten die Kinder Lampions", sagt Becker-Huberti. Ein Brauch, der sich mancherorts bis heute hält. In Bocholt wird deshalb noch eine spezielle Futterrüben-Sorte angebaut. Das Datum des Festes fällt interessanterweise gar nicht mit dem an sich zeitnahen Todestag des Heiligen am 8. November zusammen.
Der 11. November war schon früh der Tag eines zweiten Erntedankfestes und damit das Ende des Herbstes und der Beginn des Winters. "Das Martinsfest wurde nicht gegen dieses Fest, wie es seit dem Mittelalter an diesem Datum üblich war, gegründet", betont Becker-Huberti. Die Ernte war zu diesem Zeitpunkt verarbeitet, der neue Wein trinkbar. "Außerdem musste man an diesem Tag die Pacht bezahlen, was in Form der Abgabe von Gänsen geschah, weshalb die Gänse am Martinstag eine viel ältere Tradition sind, als zu Sankt Martin."
Volksbrauchtum und die Verehrung eines christlichen Heiligen gehen also eine Verbindung ein – ein Umstand, der dafür sorgt, dass das Martinsfest niemanden ausschließen muss, und dies nicht erst in diesem Jahrhundert. "Aus dem Ersten Weltkrieg etwa ist dokumentiert, dass Soldaten aus Düsseldorf im Schützengraben Sankt Martin gefeiert haben", berichtet Becker-Huberti. Er selbst habe im Nachkriegsdeutschland als Kind für seine selbst gebastelte Laterne als Preis seine ersten warmen Winterschuhe erhalten.
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