Neue Trends
Tattoo & Art Show in Offenburg rund 4000 Besuchern
Mi, 03. Juli 2024, 14:45 Uhr
Offenburg
Unter dem Motto "Leben mit der ewigen Kunst" konnte die Tattoo & Art Show in Offenburg rund 4000 Besucher in der Edeka-Arena begrüßen. Mehr als 200 internationale Tätowierer präsentierten die neuesten Tattoo-Trends.
Bei der japanischen Technik "Tebori" werden die Entwürfe des Künstlers, angelehnt an japanische Holzschnitte, mit Tusche und einem Tebori-Stick – einem Bambusstock mit Nadeln – von Hand unter die Haut gestochen. Schmerzhaft? "Ja, aber nicht so schlimm, wie mit der elektrischen Tätowiermaschine", sind sich beide einig. Und eine ebenso tiefschürfende Bedeutung haben auch die Symbole, für die sich die Kundin entschieden hat: Koi Karpfen, die einen Fluss herauf schwimmen, um schließlich zu laichen, stehen für die Überwindung von Hindernissen, Glück und Stärke.
Horigas eigene Tattoos erzählen eher von der Tattookultur der 90er Jahre: etwas verwaschen, aber noch immer grimmig stieren düstere Männergesichter und ebensolche Schriftzüge von beiden Unterarmen dem Betrachter entgegen. "Das ist meine Geschichte", so der Tätowierer.
Eine typische Szene, erklärt später der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Tattoo, Daniel Krause. "Früher war Tätowieren eine Männerdomäne, das waren Rocker, Kriminelle, heute lassen sich mehr Frauen als Männer tätowieren." Das verändere auch die gängigen Motive, sie werden femininer und feiner. Auch die Qualität und Hygiene werde heute viel stärker berücksichtigt. Und auch hier sieht Krause den Einfluss von Frauen: "Wenn man sich umschaut: Es gibt Blumen an den Ständen, richtig schick – das hätte es früher nicht gegeben. Ich würde mich heute vor allem von Frauen stechen lassen – die sind feinfühliger, genauer und achten darauf, dass alles sauber ist."
Die gleichen Erfahrungen hat auch Horiga gemacht – nicht nur sei die Szene heute vernetzter, sie sei auch anspruchsvoller und der Kundenkreis viel größer geworden. Die erste richtige Tattoomesse habe er erst in den späten 1990er-Jahren erlebt. Auch daher stamme die oft mangelhafte Qualität der früheren Tattoos: "Wenn Du niemanden sonst kanntest, dann gab es an Tattoos eben, was es gab." Allerdings habe das enorme Wachstum des Marktes auch seine Schattenseiten. "Der Markt ist übersättigt", bemerkt Horiga, daher seien kleinere Messen wie in Offenburg wichtig. Das sieht auch Fabio de la Vega so: "Wir haben hier internationale Künstler, aber es ist trotzdem sehr familiär und persönlich." Qualität ist ihm wichtig, schließlich geht es um "Leben mit der ewigen Kunst", wie der Titel der Messe verspricht. Caravaggios Gemälde "Der kranke Bacchus" stand für das Titelbild Pate.
Obwohl die Bilder unter die Haut gekommen sind, um zu bleiben, sind sie auch Sinnbild für die Vergänglichkeit des Lebens – das sehen jedenfalls die Aussteller so, auf deren Standtischen der obligatorische Totenkopf nicht fehlen darf. Überhaupt sind die Symbole des Barock überall zu finden: Knochen, Blumen (Rosen!) und Musikinstrumente bevölkern traditionell die angebotenen Grafiken, daneben findet sich aber ebenso Popsymbolik. Einen Pikachu kann man sich stechen lassen, einen Johnny Depp, eine laszive Frau, Mandalas, feine Linien, Gekritzel, Punkte…der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. "Es ist inzwischen wichtig, viel mehr als das klassische Tattoo anzubieten.", meint Krause, der den Markt seit 30 Jahren gut kennt. "Aber Künstler sind eben keine Geschäftsleute", setzt er augenzwinkernd hinzu.
Wer die Messe besucht, dürfte überrascht sein, wie vielfältig Tattoos eingesetzt werden: Auch Permanent-Make-up wird natürlich angeboten, genau wie der für Neulinge bizarr anmutenden Service einer Tattoo Station auf der eigenen Hochzeitsfeier, die "eine aufregende Möglichkeit" biete, "Eure Hochzeit zu personalisieren" (Studio: Pain is Gain). Die bildreiche Körperkunst ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen – und nicht nur das. Angelina Mengel, eine Koryphäe der Szene, setzt ihre Fähigkeiten auch dort ein, wo ein Tattoo kein Symbolbild des Lebens, sondern Wegmarke des Überlebens spiegelt. Ihre (beeindruckend authentische) Rekonstruktion von Brustwarzen nach einer Mastektomie, die sie auf der Messebühne präsentiert, sei eine ganz besondere Arbeit für sie: "Diese Frauen sind schon einen langen Weg gegangen, und wenn die sich dann zum Schluss im Spiegel sehen, dann ist das ein unheimlich berührender Moment." Ärzte würden dieses vermeintliche Detail oft in seiner Bedeutung für die Frau unterschätzen, und ebenso die notwendigen Fähigkeiten, eine Brustwarze zu kopieren. "Oft bestellen die sich eine Maschine und die Farben Braun und Orange, das war’s." Und so sehe das Ergebnis dann eben aus.
Ursprünglich, so der Tätowierkünstler Horiga, dienten Tattoos in Japan den Gangstern der Yakuza dazu, ihre Gegner einzuschüchtern, weil sie Gewaltbereitschaft signalisieren. Auch hierzulande blieb dies lange ein Image. Auf der Messe Offenburg konnte man sehen, dass es auch ganz anders geht: Tattoos verbreiten hier keine Schrecken mehr – sie können sie sogar nehmen.
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