Tanzen für ihre Rechte

Ein Videoclip macht in der arabischen Welt Furore / "Mögen die Männer aussterben, sie treiben uns in den Wahnsinn", singt der Frauenchor.  

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Ausschnitt aus dem Clip „Hwages“ (deutsch: Bedenken)  | Foto:  Screenshot Youtube
Ausschnitt aus dem Clip „Hwages“ (deutsch: Bedenken) Foto:  Screenshot Youtube
"Möge Allah uns helfen, die Männer loszuwerden", singen und klatschen die jungen saudischen Frauen. Ausgelassen hüpfen die voll Verschleierten, fahren Skateboard, spielen Bowling und Basketball – alles Dinge, die ihnen wie auch das Autofahren in ihrer erzkonservativen Heimat verboten sind. Unter den traditionellen schwarzen Abayas tragen sie knallbunte Kleider und Sneakers.

3,2 Millionen Mal ist ihr Youtube-Video "Hwages" bisher geklickt worden. Übersetzt bedeutet der Titel "Bedenken" oder "Hindernisse". In dem fröhlich-frechen Clip quetschen sich vier Frauen auf die Rückbank eines schwarzen Jeeps, während vorne alleine ein Knirps am Lenkrad sitzt. Denn Frauen haben in dem wahhabitischen Königreich weniger Rechte als kleine Jungen. Zwei schnauzbärtige Männer beobachten das Treiben mit missbilligenden Blicken und erhobenem Zeigefinger, später posieren sie in Jeans und mit dickem Koffer vor einem Privatflugzeug. Anders als Frauen müssen saudische Männer nicht um Erlaubnis fragen, wenn sie ausgehen wollen.

Frauen hingegen werden gegängelt. Ohne schriftliche Zustimmung ihres männlichen Vormunds – Ehemann, Bruder oder halbwüchsiger Sohn – dürfen sie weder studieren noch arbeiten, können nicht zum Arzt gehen oder ein Bankkonto eröffnen. Die weibliche Beschäftigungsquote in Saudi-Arabien liegt bei unter 20 Prozent – weltweiter Negativrekord. Bei der Heirat gibt es kein gesetzliches Mindestalter, eine 13-Jährige kann zur Hochzeit mit einem 50-Jährigen gezwungen werden – was oft passiert. Und das bislang erste und einzige weibliche Kabinettsmitglied, Vize-Erziehungsministerin Norah al-Fayez, wurde von König Salman bereits kurz nach dessen Thronbesteigung im Januar 2015 auf Druck konservativer Kreise entlassen – weil sie sich für Sportunterricht an Mädchenschulen eingesetzt hatte.

Kein Wunder, dass das Land auch 2016 wieder auf dem "Gender Gap Index" des Genfer Weltwirtschaftsforums, der Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter bewertet, ganz hinten rangiert: auf Rang 141 von 144.

Doch gerade junge Frauen in der Heimat des Propheten Mohammed pochen immer selbstbewusster auf ein Ende ihrer Diskriminierung im Namen der Scharia. Zehntausende haben in den vergangenen Jahren mit staatlichen Stipendien im Ausland studiert und andere Welten kennengelernt. Sie sind hochqualifiziert und mit neuen Ideen zurückgekommen. Und sie wollen mehr als nur ein Wörtchen mitreden bei den Geschicken ihres Landes.

"Mögen die Männer aussterben, sie treiben uns in den Wahnsinn", singt derweil der Chor der Aufmüpfigen in dem Video-Hit, der von Majed al-Esa in seinen 8ies-Studios produziert wurde. Bereits Anfang 2016 löste der bekannte Künstler und Kurzfilmer im Nahen Osten mit "Barbs" eine regelrechte Tanzeuphorie aus. 38 Millionen Mal wurde dieses Video geklickt, dessen Mix aus Hip-Hop und Breakdance überall in der Region zu Hause oder auf öffentlichen Plätzen nachgeahmt wurde.

Auch "Hwages" schlägt im Twitter-Universum der arabischen Halbinsel hohe Wellen. "Unerhört" und "Wo bleiben unsere Prediger, die dagegen vorgehen?", texten die einen und wünschen, Allah möge ihr Land vor tanzenden und Auto fahrenden Frauen bewahren. Andere dagegen loben den Clip als kreative Werbung für ihr Land, das "mehr ist als Religionspolizei, Kleriker, IS und Rückständigkeit". Und Al-Bilad, eine der ältesten Zeitungen des Landes, sieht gar eine neue Generation von Frauen in Saudi-Arabien heranwachsen, "die anders sind als in der Vergangenheit".

Das Video im Internet unter:      http://mehr.bz/saudischefrauen

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