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Täter-Opfer-Ausgleich – ein unterschätztes Instrument der Justiz

Vergebung steht beim Täter-Opfer-Ausgleich nicht im Zentrum. Aber die Anerkennung der Schuld durch den Täter. Warum wird dieser Weg nicht öfter gegangen?  

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Die Magie der Empathie  | Foto: Bernd Weißbrod (dpa)
Die Magie der Empathie Foto: Bernd Weißbrod (dpa)
Daran erinnert sich Jasmina Wiehe noch gut: Das Opfer war zwölf und wurde von einem 14-Jährigen mit einem Messer in den Oberschenkel gestochen. Große Fleischwunde, viel Blut und für das Opfer auch zweieinhalb Jahre nach der Tat ein unverarbeitetes Trauma. Die ausgebildete Mediatorin Wiehe und ein Kollege organisierten mit den beiden Schülern und deren Eltern einen Täter-Opfer-Ausgleich (TOA). Am Ende konnten jeweils beide Eltern und die beiden Jungs den Schock des Gegenübers nachvollziehen. Die Scham der Täterfamilie und des Täters. Die Panik der Opferfamilie und des Opfers. "Es endete mit einer Entschuldigung seitens des jungen Täters", erzählt Wiehe. "Und der Magie der Empathie."

Anerkennung und Würdigung des Opfers wichtig

Täter-Opfer-Ausgleiche haben große Vorteile. So könne damit etwa eine Hauptverhandlung in vielen Fällen vermieden werden - das führe zu einer Entlastung der Justiz, sagt das Justizministerium. Und auch wenn bei weitem nicht immer Schmerzensgeld fließt: "Das Opfer erhält seinen Schaden schnell und unbürokratisch ausgeglichen", sagt ein Ministeriumssprecher. So flossen im Jahr 2021 bei Verfahren von Jugendlichen und Heranwachsenden rund 131.300 Euro, im Jahr darauf knapp 128.000 Euro und im vergangenen Jahr knapp 100.000 Euro an Schmerzensgeld an die jeweiligen Opfer. Zahlen zur Höhe der Wiedergutmachung bei Erwachsenen gebe es nicht.

Viel wichtiger aber sei, die Tat nicht kleinzureden und das Opfer in seinem Leid zu würdigen, sagt Wiehe, die auch Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Täter-Opfer-Ausgleich (LAG TOA) ist. Der Grundgedanke sei der der "restorative justice" (etwa: wiederhergestellte Gerechtigkeit oder Wiedergutmachung). Denn bei Straftaten werde nicht einfach nur das Gesetz gebrochen. "Sondern Menschen werden verletzt", sagt sie. "Es entsteht nicht nur Schuld, sondern auch die Pflicht zur Wiedergutmachung." Opfer bekommen - bestenfalls durch eine Begegnung mit dem Täter - die Kontrolle zurück, sie bekommen ein Gespür dafür, wer der Täter ist und warum sie ausgesucht wurden, erläutert sie.

Viel Luft nach oben

Schade nur, dass im Südwesten die Zahlen der seitens Gerichten oder Staatsanwaltschaften angestoßenen TOA-Verfahren bei Erwachsenen eher stagnieren und auch bei den Jugendlichen sieht es nicht viel anders aus. Im Jahr 2021 waren es bei den Erwachsenen 1.544, im Jahr darauf 1.631 und im vergangenen Jahr 1.575 solcher Verfahren. Zu Ende gebracht wurden nach Angaben des Justizministeriums aber nur knapp die Hälfte (48,1 Prozent). Bei den Jugendlichen und Heranwachsenden wurden in den vergangenen drei Jahren zwischen etwas mehr als 800 und gut 970 Verfahren zum Ende gebracht. Das seien schätzungsweise 65 Prozent der insgesamt angestoßenen Verfahren.

Die Zahlen der Verfahren insgesamt bewegen sich im internationalen Vergleich laut BGBW auf niedrigem Niveau. Das Potenzial an Fällen, in denen ein TOA sinnvoll wäre, sei bei weitem nicht ausgeschöpft, heißt es von dort. "Es gibt sehr viel Luft nach oben", sagt auch Yvonne Morick, Mediatorin bei der BGBW und dort für Strafsachen bei Erwachsenen zuständig. Woran das liegt?

Justiz hat manchmal Vorbehalte

Laut Justizministerium möglicherweise auch daran, dass Gerichten und Staatsanwaltschaften der Täter-Opfer-Ausgleich nicht immer als geläufiges Mittel bekannt ist. Sie aber sind es in der Regel, die einen TOA veranlassen. Laut Wiehe hat die Justiz zudem mitunter Vorbehalte dagegen, nach dem Motto: "Wirkt das Instrument, erreichen wir das, was wir wollen, ist das nicht nur eine sehr milde Reaktion, können wir dem Opfer das zumuten." Laut Morick spielt auch fehlendes Geld eine Rolle. Wenn die Länder mehr Mittel zur Verfügung stellen würden, könnte man etwa mehr Mediatoren ausbilden und das Konzept von TOA erweitern, meint sie.

Bedauerlich auch, dass recht viele Täter-Opfer-Ausgleiche nicht erfolgreich enden. Das liegt natürlich daran, dass nicht selten einer der Beteiligten einen Rückzieher macht oder gar nicht erst zum Erstgespräch erscheinen möchte. Es liegt laut Morick aber auch daran, dass es in einigen Fällen keinen Konsens darüber gibt, welche Fälle für einen Täter-Opfer-Ausgleich geeignet sind und welche nicht. "Wenn schon in der Akte steht, dass ein Täter nicht einsichtig ist, gibt es wenig Aussicht auf Erfolg." Trotzdem versuche man in diesen Fällen, mit dem Täter einen Perspektivwechsel anzustreben. "Das gelingt uns aber leider nicht immer", sagt die Mediatorin.

Vor allem kleinere Delikte

Beim Gros der verhandelten Delikte gehe es um Beleidigungen, Nötigung oder Körperverletzung. Aber auch deutlich schwerere Delikte sind theoretisch für einen Täter-Opfer-Ausgleich geeignet. Bei solchen Fällen dauert ein TOA deutlich länger - und sie werden seitens der Justiz eher selten angestoßen.

Wenn die Verfahren gelingen, gibt es zwar nicht immer eine Begegnung, aber meist eine Vereinbarung zwischen den Parteien. Das kann neben einer Entschuldigung Schmerzensgeld sein, das kann ein Ausgleich des Sachschadens sein. Morick hatte kürzlich einen Fall, in dem ein Täter eine Frau erheblich verletzte. Die Frau wollte eigentlich nur ihre dabei kaputt gegangene Jeans wiederhaben. "Das fand der Täter zu wenig. Er hat lieber mehr gegeben."

Ressort: Panorama

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