Unterm Horst mit...

Storchenvater Martin Kury aus Reute: „Bloß nicht verhätscheln“

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Martin Kury, Storchenvater aus Reute Foto: Dominik Bloedner
Grauer Himmel über dem Dach der katholischen Kirche Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz. Ab und an kämpft sich die Sonne durch. Ein weiteres Zeichen dafür, dass der Frühling kommt, ist der Horst dort oben. Denn seit wenigen Tagen hat das Nest wieder einen Bewohner: Der Storch ist aus seinem Winterquartier in Südeuropa wieder nach Südbaden zurückgekehrt. Und tatsächlich, er klappert eifrig. Dass es hier in Reute bei Freiburg gleich mehrere Storchennester und sogar eine Pflegestation gibt, liegt an Martin Kury und anderen engagierten Anwohnern. Dominik Bloedner hat den Storchenvater besucht.

BZ: Herr Kury, wie viele alte Bekannte kommen jetzt im März wieder?
Kury: Einige, etwa der Storch mit der Nummer A 5000 DER. Der wurde 2006 in Ettenheim geboren und kommt jedes Jahr zu uns nach Reute. Soeben hat er sein Nest im Garten bezogen, noch ohne Partnerin. Die anderen sind schon auf dem Weg von Afrika oder Spanien. Mit den Störchen kommt der Frühling.

BZ: Und falls der Horst schon besetzt ist?
Kury: Dann gibt es Ärger, mitunter blutige Kämpfe. Der Stärkere setzt sich durch, so ist das in der Natur.

BZ:
Wie man hört, hier wird geklappert.
Kury: So kommunizieren die Vögel miteinander. Das dient in der Kolonie etwa der Abwehr gegen Fremde, aber so wird auch um die Weibchen geworben.

BZ: Sind Störche treu?
Kury: Nein, sie bleiben in der Regel nicht wie Schwäne ein ganzes Leben zusammen. Wenn sich etwas Besseres ergibt, dann wechseln sie den Partner. Doch es gibt Ausnahmen. Wir haben Paare, die schon jahrelang zusammen sind. Da scheint es zu passen.

BZ: Einige Störche haben hier in Südbaden überwintert.
Kury: Das sind diejenigen, die vor einigen Jahren hierbehalten und gefüttert wurden, um den Bestand zu sichern. Sie haben sich an den Winter gewöhnt. Die Kälte ist kein Problem, auch nicht die Futtersuche. Doch in der Regel zieht sie in den Süden.

BZ: Geben Sie den Störchen eigentlich Namen?
Kury: Nein, das haben wir nur mit den ersten beiden Jungstörchen gemacht, die in Reute im Frühling 2000 geboren wurden – es waren die ersten seit 1926. Sie heißen Albert und Ursula, wie die Gastgeber des Nachbarschaftstreffens.

BZ: Störche werden bis 35 Jahre alt. Entwickeln sich persönliche Beziehungen?
Kury: Viele Paare, die wiederkommen, haben sich an uns gewöhnt. Andere, die von weiter weg kommen und noch nicht viel Kontakt mit Menschen hatten, sind scheu. Das ist uns recht, wir wollen keine zahmen Störche.

BZ: Also keine Haustiere?
Kury: Bloß nicht verhätscheln! Störche mit zu nahen Kontakt zu Menschen werden wie anhängliche Hunde. Sie laufen einem nach, betteln um Futter und fliegen nicht fort. Ohne Menschen sind sie nicht überlebensfähig. Wenn wir einen ganz kleinen Storch zur Pflege bekommen, dann berühre ich ihn nur, sofern es unbedingt nötig ist. In der Voliere ein hinter dem Haus hat mich ein Storch sogar einmal richtig angegriffen – ein gutes Zeichen. Je aggressiver die Tiere sind, desto größer sind die Überlebenschancen.

BZ: Seit 1999 betreibt Ihr Verein diese Pflegestation. Wer wird da gepflegt?
Kury: Jungstörche, die es nach dem ersten Ausflug nicht mehr hoch aufs Nest und damit zum Futter der Eltern schaffen. Sie sind zu schwach oder leicht verletzt, wir päppeln sie auf. Pro Jahr kommen bis zu 30 Störche aus ganz Südbaden. Wir nehmen aber keine kranken Störche, die in der Natur nicht überleben könnten. Das sind Fälle für den Tierarzt.

BZ: Was fasziniert Sie an den Störchen?
Kury: Es sind schöne Vögel. Wenn sie bei guter Thermik am Himmel kreisen, ist dies ein toller Anblick.

BZ: Wie viele Störche gibt es?
Kury: In Baden-Württemberg werden es dieses Jahr wohl 600 bis 700 Brutpaare sein. 100 davon leben im Breisgau. Starke Populationen gibt es am Bodensee, im Rheingraben oder auf der Schwäbischen Alb. In den 70er- und 80er-Jahren waren die Bestände dezimiert, es gab nur noch 20 Brutpaare im Südwesten. Landstriche wurden damals trocken gelegt, der Anbau von Mais forciert und so der natürliche Lebensraum in Mitleidenschaft gezogen.

BZ: Wie kam die Wende?
Kury: Durch organisierte Futterstellen. Dort konnten die Störche drei bis fünf Junge groß ziehen, in der Natur kriegen sie ein bis maximal zwei Junge. Der Bestand hat sich erholt. Seit 2006 füttern wir nicht mehr draußen, sondern nur noch in der Pflegestation. Hier in Reute leben die Vögel wie in einer Kolonie. Sie schützen sich gegenseitig und passen auf die Nester auf. Es gibt keine Attacken durch fremde Störche. Die Folge ist: Die Störche fühlen sich sicher und können daher viel weitere Wege bei der Futtersuche auf sich nehmen. Sie haben also ein größeres Einzugsgebiet. Das Erstaunliche: Es hat sich eingespielt.

BZ: Wie ist der Fahrplan?
Kury: Die Störche paaren sich im Frühling, dann wird das Ei 32 Tage ausgebrütet. Ende Mai bis Anfang Juli werden die Jungstörche beringt. Ab Ende Juli und bis Mitte September treten sie ihre Reise in den Süden an – und kommen hoffentlich unversehrt wieder zu uns im nächsten Frühling.

BZ: Wird 2017 ein gutes Jahr?
Kury: Das hängt vom Wetter ab. Ein nasskalter Frühling kann dazu führen, dass die Jungtiere, die ja noch keine Federn haben, an Lungenentzündung sterben. Inzwischen greifen wir nicht mehr ein. Die Natur soll das selber regeln.

Martin Kury, 55, arbeitet als Krankenpfleger im Emmendinger Kreiskrankenhaus. Weitere Infos im Netz: http://www.weissstorch-breisgau.de

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