Sozialistin, Technokratin, Arbeitstier
Emmanuel Macron ernennt Élisabeth Borne zur Regierungschefin / Die frühere Arbeitsministerin wird Nachfolgerin von Jean Castex.
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Nach zwei Premierministern, die von den Konservativen kamen, wählte Macron nun eine frühere Sozialistin. Borne hatte unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande 2014 ein Jahr lang das Büro von dessen früherer Lebensgefährtin, der Umweltministerin Ségolène Royal, geleitet. Das ökologische Profil, das der Präsident angekündigt hatte, erfüllt die Ingenieurin durchaus. Aus dem Umweltministerium wechselte Borne an die Spitze der Pariser Verkehrsbetriebe RATP, wo Macron sie 2017 abwarb. Sie übernahm zunächst das Verkehrsministerium, wo sie die Reform der Staatsbahn SNCF durchsetzte. Danach wechselte die Absolventin der Elitehochschule Polytechnique an die Spitze des Arbeitsministeriums. Dort musste sie die von den Gewerkschaften viel kritisierte Reform der Arbeitslosenversicherung umsetzen.
Für das große Reformprojekt der kommenden Jahre, die Rentenreform, ist sie damit also bestens vorbereitet. Borne bezeichnet sich selbst als "Frau der Linken", die für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit kämpfe. Die neue Regierungschefin gilt als Arbeitstier. Bei der RATP wurde die kühl wirkende Technokratin allerdings für ihr mangelndes Einfühlungsvermögen kritisiert. Ihr Spitzname lautete "Borne out" – ein Wortspiel zwischen ihrem Namen und "Burn out".
Borne folgt auf Jean Castex, dessen Rücktritt Macron am Montag annahm. Der frühere Bürgermeister der südwestfranzösischen Kleinstadt Prades hatte mit seinen ungelenken Auftritten in der Corona-Pandemie zwar für Spott gesorgt, aber auch viele Sympathien geerntet. "Fast zwei Jahre lang hat er Frankreich mit Leidenschaft und Engagement gedient", twitterte Macron nach der Demission des früheren Konservativen.
Dass nun mit Borne eine ehemalige Sozialistin kommt, ist auch als Zeichen an die Union der Linken zu verstehen, die sich nach den Präsidentschaftswahlen gebildet hatte. Sozialisten, Grüne und Kommunisten schlossen sich mit der Linksaußenpartei La France Insoumise (LFI) zusammen, um so ihre Chancen für die Parlamentswahlen im Juni zu erhöhen. Der Motor dieser Union, LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon, will im Falle eines Sieges Premierminister werden. Auf Twitter kritisierte der 71-Jährige Borne bereits – vor allem für die von ihr vorgenommene Senkung des Arbeitslosengeldes.
Borne, die nun eine neue Regierung bilden muss, wurde noch nie in ein politisches Amt gewählt. Für die Parlamentswahlen im Juni bewirbt sie sich erstmals für ein Mandat. 74 Prozent der Franzosen hatten sich eine weibliche Regierungschefin gewünscht. Bornes Vorgängerin, die Sozialistin Édith Cresson, hatte es von 1991 bis 1992 nur knapp ein Jahr auf dem Posten ausgehalten. Erst am Wochenende schilderte sie in einem Interview, wie ihr damals Aussagen unterstellt und ihre Kleidung permanent kritisiert wurde. "Das Land ist nicht machistisch, die politische Klasse ist es", sagte sie dem Journal du Dimanche. Einen Rat wollte Cresson ihrer Nachfolgerin nicht geben: "Ich sage nur, dass sie viel Mut braucht."
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