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Sturzprävention

So können Kurse dabei helfen, dass ältere Menschen seltener hinfallen

  • So, 23. Juni 2024, 18:00 Uhr
    Gesundheit & Ernährung

     

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Ein Sturz kann vor allem im Alter fatale gesundheitliche Folgen haben. Präventionskurse senken das Risiko zu fallen. Vielen Krankenkassen bieten diese kostenlos an.

Mit regelmäßiger Bewegung können im Alter oft fatale Stürze verhindert werden.  | Foto: Ngampol (stock.adobe.com)
Mit regelmäßiger Bewegung können im Alter oft fatale Stürze verhindert werden. Foto: Ngampol (stock.adobe.com)

Die Teppichkante im Wohnzimmer, eine Unebenheit in den Platten des Gehwegs, die eine Treppenstufe, die nur ein klein wenig höher ist als die anderen – unzählige Dinge bringen uns im Alltag kurz aus dem Gleichgewicht. In den allermeisten Fällen geht das glimpflich aus: Wir stolpern und fangen uns. Diese Fähigkeit nimmt jedoch mit zunehmendem Alter ab. Die Muskelkraft lässt ebenso wie das Balancegefühl nach. Das führt dazu, dass viele ältere Menschen mitunter Schwierigkeiten damit haben, die aufrechte Position ihres Körpers im Raum beizubehalten. Ihnen fehlt die sogenannte posturale Kontrolle, sie fallen hin.

Der AOK zufolge stürzen etwa 30 von 100 Menschen über 65 Jahren jährlich in den eigenen vier Wänden. Fatal ist, wenn dabei Knochen brechen. "Wer lange mit einem Hüft- oder einem Oberschenkelhalsbruch liegt, kommt danach nur schwer oder gar nicht mehr auf die Beine", sagt Pia Pauly vom Deutschen Turner-Bund und Geschäftsführerin der Bundesinitiative Sturzprävention (BIS). Solche Stürze haben nicht nur für die Betroffenen Folgen, sie belasten auch unser Gesundheitssystem: Physiotherapien, Reha-Aufenthalte und die Behandlung der durch langes Liegen verursachten Krankheiten führen zu hohen Kosten. Das alles lässt sich vermeiden, wenn Menschen weniger hinfallen. Stichwort: Sturzprävention.

"Es sind vor allem Kraft, Koordination und Balance, die man trainieren sollte"Pia Pauly

Zahlreiche Studien haben gezeigt: Training hilft. "Es sind vor allem Kraft, Koordination und Balance, die man trainieren sollte", sagt Pauly , "da kann jeder viel tun, um das eigene Risiko zu minimieren." Etwa ab 70 Jahren, liest man oft als allgemeine Empfehlung, sei es sinnvoll, an einem Sturzpräventionstraining teilzunehmen. Oft zu spät, findet Pauly: "Es geht ja darum, möglichst lange selbständig zu bleiben im Alter, also müsste man mit spätestens Mitte 50, 60 Jahren anfangen, Kraft, Balance und Koordination zu stärken." Dafür brauche es nicht immer einen speziellen Kurs zur Sturzprävention. Viele Sportarten wie Radfahren, Tennis oder auch das Training im Fitnessstudio stärken genau die Fähigkeiten, die vor Stürzen schützen. "Die Hauptsache ist es, in Bewegung zu kommen, und das gelingt am ehesten, wenn man einen Sport findet, der einem Spaß macht", sagt Pauly.

Sich für ein Sturzpräventionstraining zu entscheiden, das von vielen Krankenkassen kostenlos angeboten wird, ist auf jeden Fall auch eine gute Idee. Zu diesem Schluss kommen Lena Fleig und Lisa Marie Warner. Die Wissenschaftlerinnen von der Medical School Berlin haben im Auftrag der AOK Nordost untersucht, wie wirksam deren Sturzpräventionsprogramm "Sicher- und Aktivsein im Alter" ist. An der Studie haben 174 Menschen im Alter von 51 bis 91 Jahren teilgenommen, das Durchschnittsalter lag bei 76 Jahren.

Bei der Befragung gaben die Teilnehmenden an, in dem sechsmonatigen Untersuchungszeitraum habe sich ihre Balance und ihre Koordination verbessert, sie fühlten sich sicherer im Alltag. "Unsere objektiven Messungen zeigen stabil bleibende Messwerte in den Bereichen Koordination und Gehgeschwindigkeit", sagt Warner. Das könne als Erfolg gewertet werden, denn altersgerecht wäre in diesem Zeitraum ein Nachlassen genau dieser Fähigkeiten. Dafür ist nicht nur die schwindende Muskelkraft verantwortlich. "Das Arbeitsgedächtnis ist im Alter schneller überlastet", erklärt Warner, "dann fällt es schwerer, sich gleichzeitig zu bewegen und dabei Dinge zu tun. Etwa, sich beim Laufen die Handschuhe auszuziehen oder etwas aus der Tasche zu holen. Viele ältere Menschen bleiben dafür stehen." Sturzpräventionstrainings setzen hier mit speziellen Übungen an. Zum Beispiel, dass man einen Ballon in der Luft halten muss, während man durch den Raum geht.

Zurückgegangen ist im Untersuchungszeitraum die Sturzangst der Teilnehmenden. "Das ist wichtig, denn viele ältere Menschen schränken sich aus dieser Angst heraus ein, sie meiden Spaziergänge, steigen keine Treppen mehr, und werden so langfristig immobiler", sagt Warner. Ein Effekt, den das regelmäßige Sturzpräventionstraining in der Gruppe der Studie zufolge ganz nebenbei hat: Es macht weniger einsam. Denn nachdem die Teilnehmenden sich Bälle zugeworfen und auf einem Bein balanciert haben, gibt’s oft noch einen Schwatz oder man geht gemeinsam einen Kaffee trinken. "Da sorgt dann oft gar nicht der Gesundheitsgedanke dafür, dass jemand regelmäßig an den Trainings teilnimmt, sondern der soziale Aspekt ist entscheidend", sagt Warner.

Sind Sie sturzgefährdet?

Chair-Rising-Test: Dieser Test gibt Auskunft über Ihre Mobilität und Beinkraft. Setzen Sie sich aufrecht mit vor der Brust gekreuzten Armen auf einen Stuhl. Stehen Sie fünfmal hintereinander auf, ohne die Arme zu Hilfe zu nehmen. Brauchen Sie dafür länger als 12 Sekunden, spricht das für eine erhöhte Sturzgefahr. Timed "Up & Go"-Test: Dieser Test gibt Auskunft über Ihre Mobilität. Hilfsmittel, die Sie normalerweise zum Gehen nutzen, sind erlaubt. Setzen Sie sich auf einen Stuhl. Stehen Sie auf, laufen Sie drei Meter geradeaus, drehen Sie um, laufen zurück und setzen sich wieder hin. Brauchen Sie dafür unter zehn Sekunden, ist alles in Ordnung. 11 bis 19 Sekunden sprechen für eine geringe Mobilitätseinschränkung, in der Regel noch ohne Alltagsrelevanz. Benötigen Sie mehr als 20 Sekunden, handelt es ich um eine funktionell relevante Mobilitätseinschränkung, die abgeklärt werden sollte.Quelle: Kompetenz-Centrum Geriatrie

Ressort: Gesundheit & Ernährung

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Kommentare (2)

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Katharina Bührer

137 seit 28. Jun 2019

Autsch, kein Wunder, daß den Krankenkasse das Geld für Nötigeres fehlt, wenn es zu völlig überflüssigen Evaluierungszwecken ausgegeben wird!
Vor mindestens 15 Jahren "erfand" ein Gerontologe (Altersmediziner) in Esslingen für die Patienten seiner gerontologischen Rehaklinik die sogenannten "5 Esslinger". Nach diesem Zeitraum dürften die in der Praxis - also inVivo - ausreichend erprobt sein. In Württemberg kann man diese Übungen, zum Teil die gleichen wie oben geschrieben, aufgrund einer früh eingefädelten Kooperation mit dem Schwäbischen Turnerbund in vielen Sportvereinen erlernen und dann zuhause selbstständig fortführen.
Ob Katastrophernschutz oder was auch sonst, jede/ jeder/ jedes muss in diesem Land anscheinend sein Eigenes neu erfinden, was Zeit, Geld und Personal bindet, anstatt mal einfach über den Tellerrand hinaus zu schauen - so etwas nennt man Synergieeffekt. In einer Zeit der immer klammeren öffentlichen und auch sonstigen Kassen würde sich das prima sowohl zum Sparen einerseits als auch zur Beibehaltung jedweden Angebotes andererseits eignen. Aber nein, wir müssen ja das Rad stets neu erfinden, koste es was es wolle und selbst wenn die damit einhergehenden Einsparungen und Kürzungen nur Wasser auf die Mühlen der Demokratiefeinde sein.
Wann verdammt nochmal lernen die Verantwortlichen in diesem Lande mal was sinnveolles dazu?

Katharina Bührer

137 seit 28. Jun 2019

P.S. Am Bethanienkrankenhaus in Heidelberg gibt es ein solches Programm seit Anfang der 2000er Jahre übrigens auch schon. Als Angebot einer ambulanten Reha mit Haustürabholung. Wissenschaftlich eruiert vom Heidelberger Institut für Gerontologie, gegründet von Prof. Dr. Ursula Lehr (CDU) und von 1988 bis 1991 Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Mit diesem Institut hat sie der Nachwelt etwas wirklich sinnvolles hinterlassen! (Und nein, ich bin keine CDU-Wählerin)
Nur bis zur AOK Nordost scheint sich dies nicht herumgesprochen zu haben, nicht mal im digitalen Zeitalter. Sowas frustriert mich einfach zutiefst.


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