Kino
"In Between" macht nicht nur in Israel Furore
Maysaloun Hamouds Film "In Between" über drei junge israelische Araberinnen in Tel Aviv entwickelt sich zum Kassenschlager des internationalen Kinos. Auch in Deutschland läuft er bald an.
Mo, 6. Feb 2017, 0:00 Uhr
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Nicht der Nahostkonflikt, nicht die Besatzung sind ihr Thema, sondern der Ausbruch aus tradierten Rollenvorstellungen, die persönliche Emanzipation, die Widersprüche, in denen sich ihre drei Protagonistinnen bewegen. Eigentlich gehören sie nirgends ganz dazu, diese Frauen, die sich der Enge und sozialen Kontrolle ihrer arabischen Dörfer entziehen, aber in Tel Aviv Vorurteilen der jüdischen Mehrheitsgesellschaft begegnen. "In Between" ("Dazwischen") heißt denn auch der Film, der in Israel seit Wochen für Furore sorgt. Der arabische Titel lautet "Bar Bahar" ("Land Meer"). Maysaloun Hamoud hat sich den Schriftzug auf ihren Unterarm tätowieren lassen. Weil das Gegensatzpaar ihr Lebensgefühl trifft.
Die Geschichte handelt von einer Frauen-WG in Tel Aviv. Dort wohnen Laila, eine attraktive junge Anwältin, und die flippige Salma, die einen Nasenring trägt und sich mit Jobs als Musiklehrerin und Barfrau durchschlägt. Als ein Zimmer frei wird, zieht Nour zu ihnen, eine IT-Studentin mit Kopftuch. Sie sind nicht fürs Zusammenleben geschaffen: Laila und Salma, die keinen Joint und keinen Drink auslassen, und die fromme Nour, die lieber büffelt statt zu feiern. Aber das Bedürfnis einer jeden, sie selbst zu sein, die Sehnsucht nach Liebe und die Konflikte darum verbinden.
Als Nours strenggläubiger Verlobter, ein islamischer Aktivist, von ihr verlangt, aus diesem "Sündenpfuhl" auszuziehen und lieber zu heiraten, weigert sie sich. Woraufhin er Nour vergewaltigt. Gemeinsam hecken die Frauen einen Plan aus, es ihm trickreich heimzuzahlen, was nicht ohne Komik geschieht. Aber auch der so progressiv auftretende arabische Geliebte der emanzipierten Laila entpuppt sich mit patriarchalischen Frauenbildern im Hinterkopf als Enttäuschung. Und die lesbische Salma bekommt den Zorn ihrer christlich-arabischen Familie zu spüren, als sie ihre Freundin übers Wochenende ins Elternhaus mitbringt.
Damit hat Hamoud an eine Menge Tabus gerührt, über die man sich unter arabischen Israelis lieber ausschweigt. Die islamische Bewegung jedenfalls schäumte vor Wut. Ihre Anhänger scheuten vor üblen Drohungen gegen die Filmemacherin nicht zurück, die arabische Frauen als Huren hinstelle und den Vergewaltiger als religiösen Mann. Dabei sei es ihr gar nicht um Provokation gegangen, erzählt Hamoud beim Treffen in ihrem Lieblingscafe in Jaffa, der arabischen Zwillingsstadt von Tel Aviv. "Ich wollte meiner Gesellschaft nur einen Spiegel vorhalten, sie mit der Realität konfrontieren." Dass ausgerechnet der liberale Autor Sayed Kashua, bevor er den Film sah, eingewendet hatte, man müsse sich hüten, israelische Klischees von Arabern zu erfüllen, hat sie getroffen. Sie habe Stereotypen benutzt, um sie kollabieren zu lassen, sagt Hamoud. Inzwischen hat sich der berühmte, derzeit in den USA lebende Kashua in einer Haaretz-Kolumne entschuldigt: Diesen Film anzuschauen sei "nicht weniger wichtig, als gegen Häuserabriss zu demonstrieren".
Tatsächlich macht das Authentische der Charaktere die Stärke von "In Between" aus. Einige Rollen – wie die beiden lesbischen Frauen und eine schwule Nebenfigur, zuständig für Partydrogen – wurden mit Laien besetzt. Die anderen sind Theaterschauspieler, die noch nie vor der Kamera standen. "Ich wollte Frische in den Film bringen, eine naturalistische Darstellung", sagt Hamoud. Ein Konzept, das nicht zuletzt dank Schlomi Elkabetz als Produzent aufging. Er ist ein alter Hase im israelischen Filmgeschäft und Dozent an der Tel Aviver Kunsthochschule Minshar, wo Hamoud in einem Zweitstudium ihr Handwerk gelernt hat. Auf dem Filmfestival in Haifa wurde "In Between" als bester Debütfilm ausgezeichnet, Preise und großes Lob seitens Kritik und Publikum gab es ebenso in Toronto und San Sebastian. In spanischen Kinos erwies sich "In Between" als Renner, der deutsche Kinostart soll demnächst folgen.
Berlin hat es der Regisseurin ohnehin angetan. Dorthin macht sich im Film die unkonventionelle Salma auf und folgt damit dem Beispiel tausender Israelis. In Berlin soll der letzte Teil der von Hamoud geplanten Trilogie spielen. "Nur die Großstädte geben uns Freiräume für eine alternative Art zu leben", sagt die 35-Jährige. "Und wir jungen modernen Palästinenser wollen nichts Anderes als die junge Generation überall, ob in Tel Aviv, Beirut, Amman oder Berlin."
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