Berlin
Showdown im Kanzleramt: Platzt heute die Ampel?
So nah stand die Ampel-Koalition noch nie am Abgrund. Am Mittwochabend könnte sich entscheiden, ob sie abstürzt – oder sich doch noch einmal zum Weitermachen durchringt.
dpa
Mi, 6. Nov 2024, 4:44 Uhr
Deutschland
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Vor den Beratungen kommen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grünen) zu zwei Vorbereitungsrunden zusammen, unterbrochen von einer Kabinettssitzung. Sie hatten sich schon am Montag und Dienstag getroffen und wollen versuchen, eine gemeinsame Vorlage für den Koalitionsausschuss zustande zu bringen. Sollten sie das schaffen, dürfte die große Runde mit allen Partei- und Fraktionschefs am Abend nur noch Formsache sein. Sollten sie sich nicht einigen, steht die Ampel vor dem Aus.
Lindner hat schon vor einiger Zeit den "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden soll. Daneben geht es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Gegen solche Ideen gibt es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck ist Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden. "Nun erwarte ich allerdings auch, dass die anderen auch im eigenen Bereich mal Vorschläge machen", sagte er anschließend.
Seit Montag suchen Scholz, Habeck und Lindner unterstützt von Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) und zwei Staatssekretären nach Lösungen. Sollten sie heute zu einer Einigung kommen, die dann anschließend vom Koalitionsausschuss abgesegnet wird, müsste der Haushalt 2025 noch durch den Bundestag. Am 14. November ist die entscheidende Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, bei der die letzten Details geklärt werden sollen. Zwei Wochen später stimmt das Plenum ab. Geht beides gut, hätte die Ampel die schwerste Hürde genommen und könnte weiterregieren. Weitere Differenzen würden aber bleiben, etwa um das strittige Rentenpaket oder auch die Migrationspolitik.
Sollte es am Mittwoch oder in der Nacht zu Donnerstag nicht zu einer Einigung kommen, droht das Ampel-Aus. Eine Möglichkeit wäre, dass die FDP aus der Regierung aussteigt. Theoretisch könnten die FDP-Minister auch von einem entnervten Kanzler Scholz entlassen werden. Das gilt aber als deutlich unwahrscheinlicher.
Scholz macht bisher nicht den Anschein, als würde er die Geduld verlieren. Am Dienstag appellierte er noch einmal auf etwas umständliche Weise an die Koalitionspartner, sich zusammenzureißen. "Klar ist, es ginge", sagte er. "Insofern ist die Frage nicht, ob man es überhaupt hinkriegen kann, sondern es ist möglich, und da müssen jetzt alle arbeiten."
Und wie geht es weiter, wenn die Ampel platzt? Sollte die FDP aussteigen, stünden SPD und Grüne vor der Frage, ob sie ohne eine Mehrheit im Parlament regieren oder eine Neuwahl einleiten wollen. Im Fall einer Minderheitsregierung wäre Rot-Grün bei jeder Entscheidung im Bundestag auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen. Die Union dringt aber auf eine vorgezogene Bundestagswahl und dürfte sich deshalb kaum kooperativ zeigen. Es wäre also wahrscheinlicher, dass die Rest-Regierung früher oder später über eine Vertrauensfrage von Kanzler Scholz eine Neuwahl in die Wege leitet.
Eine nicht ganz unwichtige Rolle wird bei den Verhandlungen am Mittwoch spielen, wie die Wahlen in den USA ausgehen. Sollte Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt werden, würde das weltweit für Unsicherheit sorgen und könnte die Einigungsbereitschaft in der Koalition erhöhen. Denn ein Neuwahl-Szenario mit einem möglichen Wahltermin Anfang nächsten Jahres würde bedeuten, dass Deutschland in den ersten Monaten einer Regierung Trump erst in der heißen Wahlkampfphase und dann in Koalitionsverhandlungen stecken würde und nur bedingt handlungsfähig wäre.
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