Kinderliteratur
Zwei neue Romane über Väter und Söhne
Väter und Söhne: Ein unerschöpfliches Thema hat auch die Kinderliteratur erreicht.
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Väter und Söhne – ihre Geschichten füllen Bibliotheken, sind innig und tragisch, voller Sehnsüchte, Erwartungen und Enttäuschungen. Auch in der Kinderliteratur rückt das Thema zunehmend in den Fokus, wachsen hierzulande doch unzählige Jungs ohne Alltagsvater auf. Dass die Mission Familienzusammenführung keineswegs pädagogisch tröge sein muss, erzählen zwei Romane mit Witz, Tempo und authentischen Helden.
"Wie komm ich nach Palermo?", fragt der elfjährige Carlo am Bahnhofsschalter und schwitzt dabei seine übergroße Anzugjacke durch. Ticket bekommt er keins, aufhalten lässt sich der dickliche Möchtegern-Mafioso auf seiner Reise von Bochum nach Sizilien aber nicht. Es geht um die Wurst: Fünf Monate, zwei Wochen und sechs Tage ist es her, dass Mama seinen italienischen Hallodri-Vater aus der Wohnung geschmissen hat. Seitdem "warte ich. Ich warte immer. In der Schule, im Bett, beim Essen. Ich werd das Warten auf Papa nicht los". Carlos offenherzige Quasselart gibt diesem Abenteuer einen speziellen Sound aus Galgenhumor, Chuzpe und Verletzbarkeit. Wie er sich ohne Fahrkarte im ICE nach München schlawinert, im Nachtzug nach Rom als blinder Passagier von einer reizenden alten Dame gerettet wird, einen räuberischen Taxifahrer und eine nette Großfamilie trifft, irgendwie auf die Fähre kommt, oft Kohldampf schiebt, Geld, Koffer und sein geliebtes Fußballtrikot verliert, nie aber die Hoffnung – das ist eine tolle Ausreißergeschichte zum Vorlesen und Selberschmökern. Der Autor Oliver Scherz bleibt in den Turbulenzen nah an seiner Figur und ihrem Herzenswunsch, der Illustrator Peter Schössow streut kleine Schwarz-Weiß-Schnappschüsse voller Atmosphäre dazwischen, die Carlos Silhouette auf Odyssee zeigen. In Palermo ist nicht alles Dolce Vita, aber vielleicht doch der Beginn eines Happy Ends.
Auch der neunjährige Johann ist ein Trennungskind, hat aber momentan ganz andere Sorgen: Seine geliebte Patenkuh Polly soll verwurstet werden, weil sie ihre Herde aufmischt. Zu ihrer Rettung bleiben ihm nur wenige Stunden. In seiner Verzweiflung ruft Johann seinen Hippievater an, schließlich ist der seit Jahren mit seinem Swami in Indien unterwegs und dort sind Kühe heilig. Und wirklich, noch am selben Abend steht Armin vor der Tür, mit Flatterhosen, Viehanhänger und Polly. Einzige Glücksbremse: Samantha, die Tochter von Armins neuer Freundin, ist mit von der Partie und nervt und quatscht in einer Tour, vor allem aber ist sie irritierend vertraut mit Johanns Vater. Diese Patchworkreisegesellschaft zuckelt nun über Landstraßen quer durch Deutschland zu einem Gnadenhof, erlebt Pannen, Polizeistress und kuriose Zwischenstopps, Spaß, Frust und vorsichtige Annäherungen.
Dabei sorgt die artgerechte Versorgung Pollys für einige Probleme: Nicht nur Futter- und Melkzeiten sind einzuhalten, auch Übernachtungsplätze sind nicht leicht zu finden. Das alles erzählt Bernhard Hagemann mit viel Sinn für Farbe und Situationskomik, vor allem konsequent aus der Perspektive des sensiblen Johanns, der seinem unzuverlässigen Vater wieder zu vertrauen beginnt. Am Ende braucht es eine Rockerbande, um Polly sicher zu ihrem Alterssitz zu geleiten, aber da hat die Problemkuh längst ihr magisches Charisma entfaltet. Kühe sind eben doch heilig!
Bernhard Hagemann: Patenkuh Polly. Mit Bildern von Markus Spang. Cbt Verlag, München 2015. 208 Seiten, 10,99 Euro.
Ab 9.