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FSME

Milder Winter beschert Baden-Württemberg ein Jahr mit vielen Zecken

Zecken fühlen sich im Südwesten gerade ziemlich wohl. Während die FSME-Fälle 2021 gesunken sind, ist eine Prognose für dieses Jahr schwierig, meint Zecken-Forscher Alexander Lindau.  

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Die hier krabbelt noch: Zecken setzen sich gerne auf Gräser und Sträucher und warten, bis sie „abgeholt“ werden. Foto: Patrick Pleul
Wer viel wandert, hat bestimmt auch in diesem Jahr schon Bekanntschaft mit Zecken gemacht. Warum die ungeliebten Blutsauger vermehrt und auch früher aktiv sind, darüber hat Sina Schuler mit dem Zecken-Experten Alexander Lindau gesprochen.

BZ: Herr Lindau, stimmt denn der persönliche Eindruck: Gibt es dieses Jahr mehr Zecken?
Lindau: In diesem Jahr sind definitiv mehr Zecken als 2021 aktiv – und das auch schon ziemlich früh. Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Winter nicht sehr kalt war bei uns.

BZ: Den Zecken reichen ja schon einstellige Temperaturen.
Lindau: Bei fünf bis sieben Grad wird der gemeine Holzbock aktiv. Ab 25 bis 28 Grad fühlen sich die Tiere dann besonders wohl.

BZ: In Tälern kann es aber auch passieren, dass es ihnen zu warm wird.
Lindau: Grundsätzlich kann es den Zecken im Sommer zu warm werden. Die Problematik für die Zecken liegt bei uns aber weniger in der Temperatur – die Tiere sind sehr temperaturresistent – als vielmehr in der Trockenheit. Sie sind sehr empfindlich, was Austrocknung angeht, und sind auf eine höhere Luftfeuchtigkeit angewiesen.

"Nur weil es viele Zecken gibt, heißt es nicht, dass es auch viele FSME-Erkrankungen gibt."

BZ: Baden-Württemberg ist ein FSME-Risikogebiet. Weiten sich solche Gebiete aus?
Lindau: Nur weil es viele Zecken gibt, heißt es nicht, dass es auch viele FSME-Erkrankungen gibt. Borrelien, die eine Borreliose auslösen können, kommen flächendeckend vor. Bei FSME-Viren ist das nicht so, die sind auf Gebiete beschränkt, die manchmal nur 20 mal 30 Meter groß sind. Es gibt in den Zeckenpopulationen nicht überall FSME-Viren.
Zur Person: Alexander Lindau (35) ist als Biologe und Experte für Parasitologie an der Universität Hohenheim tätig. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Zecken und zeckenübertragenen Erregern. Auch im Raum Freiburg haben er und sein Team schon Zecken gesammelt.

BZ: Können sich die Viren dann nicht weiter verbreiten?
Lindau: Solche Gebiete wachsen nicht wirklich. Woran das liegt, ist bis heute nicht wirklich geklärt. Aktuell geht man davon aus, dass es auf die entsprechende Mäusepopulation zurückzuführen ist.

BZ: Inwiefern?
Lindau: FSME-Viren scheinen sich in verschiedenen Mäusepopulationen unterschiedlich gut entwickeln zu können. Da das Einzugsgebiet einzelner Populationen nicht wächst, dehnen sich auch FSME-Gebiete nicht aus. Es kommt hier eher zu Verschleppungen durch Wanderungen einzelner Mäuse.

BZ: Laut Daten des RKI sind die FSME-Fälle im vergangenen Jahr von 712 auf 417 gesunken. Hängt das mit der Impfung zusammen?
Lindau: Nein, die Impfquote in Baden-Württemberg ist stabil auf einem zu niedrigen Niveau, um einen Einfluss darauf zu haben. Die menschliche Aktivität spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wenn die Menschen nicht in FSME-Gebiete gehen, können sie sich nicht anstecken. Vergangenes Jahr sind mehr Menschen verreist als im ersten Corona-Sommer, als viele in den heimischen Wäldern unterwegs waren. Vielleicht ist auch ein Bewusstsein gewachsen und die Menschen ergreifen Schutzmaßnahmen wie lange helle Kleidung oder sich nach dem Waldbesuch auf Zecken kontrollieren. Wie sich Zahl der FSME-Fälle dieses Jahr entwickelt, ist schwer zu sagen.

"Vielleicht ist auch ein Bewusstsein gewachsen und die Menschen ergreifen Schutzmaßnahmen."

BZ: Sie sammeln Zecken. Wie läuft das ab?
Lindau: Aktuell und schon seit vielen Jahren untersuchen wir ein Waldgebiet bei Stuttgart. Wir ziehen Zeckenflaggen aus weißem Moltonstoff wegen der besseren Sichtbarkeit über die Vegetation. Die Zecken sitzen auf Gräsern und Sträuchern und warten, bis ein Wirt sie abstreift.

BZ: Wie oft hat Sie schon eine Zecke gestochen?
Lindau: Viermal. Das ist überhaupt nicht viel angesichts der Anzahl, die wir sammeln. Wir haben durchaus Tage, an denen man als Einzelner 700 bis 800 Zecken findet. Dass ich nicht von mehr Zecken gestochen wurde, zeigt, dass Zeckenschutzmaßnahmen gut wirken.
Schutz vor Zeckenbissen:

  • Lange, helle Kleidung tragen, Socken in die Hosen stopfen Gegebenenfalls Anti-Zecken-Spray benutzen, wie auf der Packung angegeben, in ausreichender Menge und Häufigkeit
  • Jeden Abend den Körper auf Zecken untersuchen; wird man fündig, Tier sofort entfernen (mit einer Pinzette, allerdings nicht drehen, sondern nah an der Haut ansetzen und gerade herausziehen)
  • Betroffene Stellen beobachten und zum Arzt gehen, sobald sich eine Wanderröte bildet; eine Lyme-Borreliose, die laut RKI unter anderem die Haut und das Nervengewebe betreffen kann, ist frühzeitig erkannt gut behandelbar Impfung gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die laut RKI mitunter einen schweren Verlauf wie neurologische Schäden verursachen kann; FSME wird meist schon beim Stich übertragen, Borrelien erst etwas später

Mehr zum Thema:

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 18. Mai 2022: PDF-Version herunterladen

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