Auswertung
Bei Geisterspielen in der Bundesliga gewinnt öfter das Auswärtsteam
Mehr Auswärtssiege, weniger Tore: Bundesligaspiele haben sich nach der Corona-Pause stark verändert. Das zeigt eine statistische Auswertung. Ohne Fans im Stadion ging es nicht unbedingt fairer zu.
dpa
Fr, 26. Jun 2020, 9:54 Uhr
1. Bundesliga
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In den Geisterspielen geht es trotz der tristen Atmosphäre überraschend lebhaft zu. Das ergab eine statistische Auswertung der Partien durch das Unternehmen Global Soccer Network, das diverse Clubs mit Daten versorgt. "Tendenziell hat die Aggressivität der Profis in den Geisterpartien deutlich zugenommen", sagte Firmen-Geschäftsführer Dustin Böttger mit Verweis auf die gestiegene Zahl der Fouls.
Die Erstliga-Fußballer laufen nach der Corona-Pause im Schnitt rund drei Kilometer mehr und sprinten 13-mal mehr als vorher. Nach Meinung von Jonas Hummels, Bruder des Dortmunder Abwehrchefs Mats Hummels, kann "es viele unterschiedliche Gründe" für die gestiegene Laufleistung der Spieler geben. "Eventuell hat der eine oder andere Spieler im Hinterkopf, dass nun fünf Auswechslungen möglich sind und er früher raus darf", sagte der ehemalige Profi der Spielvereinigung Unterhaching und DAZN-Kommentator.
Laut Böttgers Auswertung hat die Geisterkulisse zudem Einfluss auf die Taktik. "Ohne das gegnerische Heimpublikum treten die Auswärtsteams viel selbstbewusster auf und riskieren mehr. Sie attackieren tendenziell viel früher, pressen intensiver und erspielen sich deutlich bessere Chancen als in der Zeit vor Corona."
Einen Qualitätsverlust in den Partien seit dem Wiederbeginn hat Jonas Hummels nicht ausgemacht: "Wenn man sich später mal die Spiele ohne Ton anschaut, dann wird man praktisch nicht erkennen können, ob es sich um eine normale Begegnung oder um ein Geisterspiel gehandelt hat."
Experten rechneten wegen der unterschiedlichen Vorbereitung und daraus entstehenden Ungleichheiten mit einem spektakulären Neustart und zahlreichen Treffern. Mit 3,01 Toren seit der Corona-Pause liegen die Clubs zwar über den Durchschnittswerten der vergangenen Jahre – aber deutlich unter dem Wert von 3,25 Treffern, den die ersten 25 Spieltage vor Corona boten. Düsseldorfs Trainer Uwe Rösler wagte vor dem Wiederauftakt gegen Paderborn Mitte Mai die Prognose, das Spiel der beiden Rivalen im Abstiegskampf werde "sicherlich nicht 0:0 ausgehen" – es endete einen Tag später 0:0. Trotz gesunkener Tendenz nach der Pandemie-Pause steuert die Liga auf die torreichste Spielzeit seit 1987 zu.
Keine Fans, kein großer Heimvorteil? Blickt man auf die Zahlenbasis der laufenden Spielzeit, ist dieser Schluss – zumindest in der Bundesliga – zulässig. Seit der Zwangspause sind Heimsiege statistisch gesehen deutlich seltener geworden. Hatten vor der Unterbrechung 43,3 Prozent der Teams ihre Heimspiele in der höchsten deutschen Spielklasse gewonnen, sind es seit der Wiederaufnahme Mitte Mai nur noch 27,4 Prozent.
Der Unterschied zwischen der Zeit vor und nach der Corona-Pause lässt sich auch an den erzielten Toren messen. Insgesamt wurden in der laufenden Bundesliga-Spielzeit 488 Heimtore und 460 Auswärtstore erzielt. Während es in der Phase mit Publikum vor der Unterbrechung ein klares Plus für die Heimtore (391) im Vergleich zu den Auswärtstoren (337) gab, schießen seit dem Wiederbeginn die Auswärtsmannschaften (123) mehr Tore als die jeweiligen Heimteams (97).
Zwei Monate stand der Sport still, dann legte die Bundesliga als eine der ersten großen Ligen überhaupt wieder los. Die Verantwortlichen der DFL und der Sendeanstalten erhofften sich einen kleinen Boom – der allerdings ausblieb. Der Pay-TV-Sender Sky landete mit seinem Angebot, die ersten beiden Samstagskonferenzen frei empfangbar zu zeigen, einen Erfolg, jeweils über drei Millionen sahen Sky. Die Sportschau hingegen verbuchte einen deutlichen Rückgang nach der Pause. Die Zuschauerzahl sank von 4,11 (erste Ausgabe) über 3,77 (zweite Ausgabe) auf 3,30 Millionen (dritte Ausgabe). Vor der Pause hatten fast fünf Millionen Fans zugesehen. "Wir merken im Moment einen erkennbaren Rückgang des Interesses", sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Man wisse nicht, ob die Zahlen auch einen gewissen Protest ausdrücken. "Aber Fußball ist einigen Menschen im Moment anscheinend nicht so wichtig wie sonst."
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