Leserbrief: Zu Kaplan Habich leider keinen Zugang gefunden

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NACHKRIEGSZEIT
Im Artikel "Mit du Rivau zog die Zeitenwende ins Haus" (BZ vom 15. April) wird Kaplan Kurt Habich erwähnt. Altstadtrat Stefan Böhm schreibt seine Erinnerungen an den Geistlichen als Leserbrief.
Im Artikel zum Kriegsende am 15.April 1945 wird Kaplan Kurt Habich erwähnt. Zeitzeuge Kammerer erinnert sich auch an dessen katholische Indoktrination. Diese Erinnerung beleuchtet die aus meiner Sicht tragische Figur von Kurt Habich nicht ausreichend. Ich bin in Freiburg-Littenweiler aufgewachsen und habe Kurt Habich dort ab 1961 in unserer Gemeinde St. Barbara als Stadtpfarrer erlebt – mit einer an Härte grenzenden Strenge. Im Kommunionunterricht war seine "Backenzange" gefürchtet, mit der zum Beispiel das Versäumnis des täglichen(!) Kirchenbesuchs geahndet wurde. Zu uns Georgspfadfindern fand er keinen Zugang, es sei denn, man wollte seinen strafrichterlichen Auftritt bei unseren Feten gerade dann, wenn der Stehblues am schönsten war, als "Zugang zur Jugend" betrachten. Es war in unserer Gemeinde ein nie offen besprochenes Wissen: "Der Habich war im KZ". Als ahnungslosen 13-, 14-Jährige, die in einer, was die Nazizeit betraf, "schweigenden Gesellschaft" aufwuchsen, hat uns das nicht viel gesagt. Als wir 16 und 17 Jahre alt wurden, entwickelte sich auch in Freiburg die demokratische Studentenbewegung mit all ihren rebellischen Aktionsformen – zum Beispiel einer Wandinschrift an der Pädagogischen Hochschule, direkt neben unserer Kirche. Habich wütete von der Kanzel: Diese roten Halunken seien genauso schlimm wie die braune Pest. Aber diese "roten Halunken" hatten unsere Sympathie und mit seinem Wüten hatte Habich es sich vollends bei uns verscherzt. Ich empfinde es als große Tragik, dass wir, die wir in dieser Zeit auch begannen, uns für die Verbrechen des Nationalsozialismus zu interessieren, Kurt Habich nicht als Opfer des Nationalsozialismus wahrnahmen. Ich musste 70 Jahre alt werden, um an der Wand des Kirchleins der abgelegenen Gemeinde St. Roman in einem Brief zu lesen, dass Habich als Jugendkaplan in Pforzheim mit großer Entschlossenheit die Ministranten zur Opposition gegen die Nazis ermutigte. Dafür kam er ins KZ. Er durchlitt große Qualen, fand aber die Kraft, jungen Polen und Russen in ihrer Leidenszeit beizustehen. Im März 45 wurde er entlassen und kam nach Offenburg. Ich weiß nicht, wie es ihm mit seinen Erinnerungen ging in einer Stadt, wo Teile der Bürgerschaft noch 1958 beim weltberühmten Zind-Prozess dem rechtsradikalen Angeklagten applaudierten. Ob er sich mit seinen Erinnerungen allein gelassen fühlte? Zu diesem Mann keinen verstehenden Zugang gefunden zu haben, bedrückt mich heute noch.Stefan Böhm, Offenburg
Schlagworte: Kurt Habich, Stefan Böhm, Altstadtrat Stefan Böhm
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