Leserbrief: Ein überzeugter Pazifist und Patriot
Hans-Peter Goergens (Offenburg)
Dankenswerterweise gibt Martin Frenk dieser Geschichte über Ludwig Frank den notwendigen historischen Hintergrund. Frank gehörte zwei wichtigen Gruppen im Deutschen Reich an: Zum einen wurde er als Jude geboren, zum anderen ist er Sozialdemokrat. Er ist überzeugter Pazifist und Patriot, der sich "für den Frieden mit Frankreich und England" einsetzt – indem er sich freiwillig zum Kriegsdienst meldet? Und dann stürmt er seinen Leuten voraus, dem Nachbarn entgegen. Nicht mit einem Blumenstrauß.
Da gibt es für jeden sichtbar mehrere Widersprüche. Das Misstrauen gegenüber jüdischen Bürgern führte zur sogenannten Judenzählung. Sie ergab, dass 100.000 jüdische Bürger Kriegsdienst leisteten. Wie wenig ihnen das nützte, sahen sie spätestens zwischen 1933 und 1945. Die freiwillige Meldung von Sozialdemokraten reichte offenbar auch nicht als Beweis für Vaterlandsliebe. Die Mehrheit der SPD-Reichstagsfraktion sah es als notwendig an, die Fortsetzung des unsinnigen Krieges zu ermöglichen, indem sie den Kriegskrediten zustimmte. Die "Vaterlandsliebe" führte so weit, dass sie die Abgeordneten, die das anders sahen, aus der Fraktion warfen.
Dem Altar Vaterlandsliebe wurden weitere Hundertausend Menschen zum Fraße vorgeworfen. Darunter auch SPD-Genossen, Gewerkschafter und andere, die nicht nach ihrer Freiwilligkeit gefragt wurden, wurden ihren Familien entrissen. Nicht nur nebenbei: Niemand hat die Elsässer und Lothringer gefragt, die 1871 gegen ihren Willen preußische Untertanen und damit Kanonenfutter wurden, wie es mit welcher Vaterlandsliebe aussah.
Hans-Peter Goergens, Offenburg
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