Account/Login

Bestattungen

Krematorium Freiburg: Früher verteufelt, heute normal

Vor über hundert Jahren wurde im Krematorium Freiburg der erste Mensch eingeäschert. Damals verteufelte die Kirche die Praxis noch: Asche kann nicht auferstehen. Heute sind Feuerbestattungen normal.  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
1/2
Das Krematorium auf dem Freiburger Hauptfriedhof Foto: Thomas Kunz

Ein Termin, zu dem Menschen jeden Alters gekommen sind: Der Eigenbetrieb Friedhöfe hat die Öffentlichkeit am Wochenende zu einer Führung durch das Krematorium auf dem Hauptfriedhof eingeladen.

Irgendwas mit Trauer muss Thomas Blatz zu tun haben. Darauf deutet der schwarze Palmzweig auf seinem Hemdkragen hin: Der ehemalige Kfz-Mechaniker ist Kremateur. Blatz zieht einen schwarzen länglichen Kasten aus einem Metallregal, hebt den glänzenden Aludeckel, und zum Vorschein kommt, was vor Kurzem noch ein Mensch gewesen ist: ein Häuflein Asche, mit Knochenteilen vermischt, kleine Metallteile wie Sargnägel dazwischen, die mit einem Magneten aussortiert werden. Manchmal auch größere Stücke wie künstliche Hüft- oder Kniegelenke. In einer Kiste findet sich ein ganzes Sammelsurium. "Ein Ersatzteillager für Kassenpatienten", scherzt einer der 20 Besucher, die sich am Samstag auf den Weg zum Hauptfriedhof gemacht haben.

Gundis Hihn will sich wahrscheinlich mal feuerbestatten lassen. Die 44-Jährige will sehen, was da auf sie zukommt. Und ihre Angehörigen sollen wissen, wie sie sich das Ende wünscht. 1600 Leichen werden jährlich im Freiburger Krematorium verbrannt zum Preis von je 550 Euro – ohne diverse Zusatzkosten. Von Privatisierung, wie es noch 2004 durch die Presse geisterte, könne keine Rede mehr sein, versichert Martin Leser, der Herr über Freiburgs Friedhöfe.

Ebenso wenig von ungebührlich langen Wartezeiten: "Eine Einäscherung ist bei uns von einem auf den anderen Tag möglich." Vorausgesetzt, es gibt keine Zweifel an einem natürlichen Tod des Verstorbenen. Einmal zu Asche geworden, das weiß jeder "Tatort"-Fan, wird eine nachträgliche Spurensicherung nahezu unmöglich.

Thomas Blatz zeigt einen handtellergroßen runden Schamottstein mit einer Nummer drauf. So einer findet sich nach einigem Stochern auch im Aschekasten mit den menschlichen Überresten: "Das ist wie ein Personalausweis." Der "Ausweis" trotzt Temperaturen von 900 Grad. Zwei Stunden dauert es, bis ein Sarg mit Inhalt zu Asche geworden ist. Der Ausweis ist auch noch dabei, wenn die Asche am Ende – in einer Zentrifuge fein gemahlen – in die darunter stehende Kapsel rieselt, die anschließend verplombt wird. Schließlich soll sichergestellt sein, dass sich nur die Asche dieses einzigen Menschen darin befindet.

Das muss gut organisiert sein. Wenn Thomas Blatz um 7.30 Uhr in dem weiß gekachelten Raum im Untergeschoss seinen Dienst antritt, studiert er den Einäscherungsplan: Bis zu acht Leichen täglich können in den beiden Flachbettöfen verbrannt werden. Einer ist noch warm vom Tag zuvor. "Angeliefert" werden die Särge von den Bestattungsunternehmen durch einen Hintereingang. Der repräsentative Haupteingang führt in eine klassizistisch anmutende Halle für Trauerfeiern: Der Baumeister der griechisch-römischen Tempelarchitektur ist Matthias Stammnitz.

1914 wurde laut Leser im Krematorium der erste menschliche Leichnam eingeäschert. Ein Freiburger Feuerbestattungsverein hatte sich für den Bau verkämpft. "Ohne uns" – hatten sich sowohl Katholiken als auch Protestanten heftig gegen das Krematorium gewehrt, weil Asche ihrer Ansicht nach nicht wieder auferstehen kann. Deshalb auch die Hexenverbrennungen im Mittelalter: Die Hexen sollten auf keinen Fall wieder auferstehen. Inzwischen haben auch die Kirchen keine Vorbehalte mehr gegenüber Feuerbestattungen.
Info

Seit zehn Jahren hat sich das Verhältnis von Erd- zu Urnenbestattungen in Freiburg genau umgekehrt. Urnenbestattungen: 70 Prozent, Erdbestattungen: 30 Prozent. Das Krematorium wurde 1998 generalsaniert. Schon in den 1960er-Jahren wurde es von Koks- auf Gasbefeuerung umgestellt und gehört heute zu den Großkunden von Badenova: Leichen verbrennen ist energieaufwendig. Eine zweite Brennkammer, in der bei 800 Grad die Abgase verbrannt werden, und eine ausgetüftelte Filtertechnik sorgen dafür, dass dabei keine Schadstoffe in die Umwelt gelangen. Der TÜV kontrolliert das regelmäßig. Das Freiburger Krematorium wurde mit dem Prüfsiegel des Arbeitskreises Kommunaler Krematorien im Deutschen Städtetag zertifiziert und steht für "Menschenwürde, Transparenz und Umweltschutz bei der Feuerbestattung". Zurzeit wird mit Rechtsamt und Deutschem Städtetag geklärt, wie mit großen Metallteilen in menschlichen Körpern verfahren werden soll. In die Urnenkapseln passen sie nicht rein.

Mehr zum Thema:

Ressort: Freiburg

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel