Suchmaschine
Interview: Wie abhängig sind wir von Google?
Der Journalist Thomas Schulz ist Autor des Buchs "Was Google wirklich will". Im Interview gibt er uns einige Antworten auf diese Frage und schaut ins Räderwerk der Innovationsmaschine Google.
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BZ: Gegen Google zu sein, ist vor allem in Deutschland sehr beliebt. Dabei wird hier die Suchmaschine sehr eifrig genutzt, ihr Marktanteil beträgt fast 95 Prozent gegenüber 79 in den Vereinigten Staaten. Wie erklären Sie sich das?
BZ: Welche Suchmaschine(n) benutzen Sie denn? Schulz: Ich versuche es regelmäßig mit Bing, aber kehre doch immer wieder zu Google zurück.
BZ: Haben Sie keine Angst, weil Google Daten über Sie sammelt. Die kennen einen besser als man selbst, könnte man zugespitzt sagen.
Schulz: Das ist, glaube ich, ein großes Missverständnis. Die interessieren sich doch gar nicht für mich! Es geht gar nicht so sehr um den Einzelnen. Das mag vielleicht im Werbegeschäft nützlich sein. Aber was Google wirklich will, sind die ganz, ganz großen Datenmengen, viele hundert Millionen Daten. All die Projekte maschinellen Lernens, die für Google so zentral sind, basieren darauf. Das selbstfahrende Auto etwa, das seine ganze Umwelt kennt, alle Landstraßen der Welt, alle Karten.
BZ: Aber setzt uns Google nicht eine Brille auf? Wir sehen die Welt nur, wie Google sie uns zeigt, gefiltert und kategorisiert durch den Logarithmus. Unser Wissen ist eben gegoogelt.
Schulz: Das ist richtig, aber ohne Google hätten wir gar keinen Zugang mehr zu Informationen. Weil wir ohne Suchmaschinen durch den Wust des Internets nicht mehr durchkämen. So funktioniert das überall, ob bei Google, Yahoo oder Bing oder wo auch immer.
BZ: Was den Schutz meiner Privatsphäre anbetrifft – habe ich da überhaupt eine Wahl? Um die Internetsuche möglichst effektiv zu machen, braucht Google möglichst viele Infos über mein Surfverhalten. Ein echtes Dilemma.
Schulz: So ist das nicht, man muss sich ja nicht komplett ausliefern, man kann einiges auch ausschalten, zum Beispiel Google Maps nutzen, ohne dass der eigene Standort eingesammelt wird. Natürlich, was ich eingebe, wird letztendlich weiterverwendet, aber was meine Persönlichkeit anbetrifft, kann ich zu großen Teilen auch anonymisieren. Dann sind die Funktionen halt eingeschränkt und es läuft nicht alles so rund. Das ist der Punkt: Wenn ich das Internet nutzen will, muss ich mich darauf einstellen, dass letztendlich alle Systeme und Geschäftsmodelle darauf basieren, dass sie Daten mitnehmen. Sonst funktioniert das nicht. Dann muss ich mich fragen, will ich das oder will ich das nicht.
BZ: Müssen wir uns damit abfinden, dass es im digitalen Zeitalter mit dem Datenschutz nicht mehr so weit her ist?
Schulz: Nein, nur muss man anders damit umgehen. An allererst Stelle muss absolute Transparenz stehen. Von welchen Daten reden wir überhaupt, wer macht was mit ihnen? Das war in den letzten Jahren immer unklar, bei allen großen Konzernen im Internetgeschäft, nicht nur bei Google. Das muss alles offengelegt werden, und zwar so, dass man es versteht, nicht mit 40 Seiten langen juristisch verklausulierten Ausführungen, sondern ganz knapp und sortiert. Dann weiß jeder, woran er ist.
Schulz: Es ist letztendlich sehr schwer nachzuvollziehen, was da genau passiert ist. Aber wie ich den Konzern kennengelernt habe, war da keine Bösartigkeit im Spiel. Das war ein Einzelfall. Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass Google mit Welteroberungsabsichten herumzieht und allen Leuten die Hosen ausziehen will. Denen geht es um Fortschritt durch neue, weltbewegende Technologien, und dabei verschließen sie manchmal ein bisschen die Augen für das, was uns in Europa wichtig ist, Privatsphäre und Datenschutz nämlich. Aber jetzt entwickeln sie ein Gefühl dafür.
BZ: Google erscheint wie eine Welt für sich. Hat man als einer, der nicht dazugehört, freien Zutritt?
Schulz: Sie können in den Googlecampus in Mountain View hineinspazieren, es gibt keine Zäune und Sicherheitsschleusen, und Sie können die Leute auch ansprechen, die erzählen ganz stolz von ihren Projekten. Anders als bei Apple zum Beispiel, da ist es ja wirklich strengstens untersagt, etwas aus dem eigenen Laden nach außen zu tragen.
BZ: An Google-Chef Larry Page heranzukommen ist aber offenbar sehr schwierig.
Schulz: Page versucht sich weitgehend abzuschotten. Er ist ein sehr, sehr introvertierter Mensch, er fühlt sich mit Menschen, die er nicht kennt, überhaupt nicht wohl. Ich hatte mehrere Interviews mit ihm für das Buch, es war aber schwierig, mit ihm richtig ins Gespräch zu kommen.
BZ: Ihr Buch ist getragen von einer Grundsympathie für Google. Was schätzen Sie am meisten?
Schulz: Den Optimismus und die Haltung, dass der Mensch viel erreichen kann, wenn er es nur wirklich will. Daraus entstehen all die neuen Dinge, von der Krebsforschung bis zum Roboterauto. Und den Willen, nicht nur in kleinen, sondern in großen Schritten voranzukommen. Es nicht nur zehn Prozent, sondern zehnmal besser zu machen. "Moonshot" ist ein zentrales Schlagwort bei Google, das für die Suche nach dem großen Wurf steht.
BZ: Klingt nach pubertärem Größenwahn.
Schulz: Überhaupt nicht. Dahinter steht die Erkenntnis, dass man sich bei Technologieprojekten oft verläuft, wenn man hier noch eine Schraube umlegt und da noch das Design ein wenig ändert. Es ist dann schwieriger voranzukommen, als wenn man sagt, wir wollen alles gleich viel, viel besser machen. Abschreckendes Beispiel ist Microsoft, wo man es bei kleinen Verbesserungen an der Software belassen hat, was zum Stillstand führte. Alle haben Angst, das nächste Microsoft zu werden, und das treibt die an.
Schulz: Ja, wir sind zu pessimistisch, wir müssen aggressiver und optimistischer vorgehen. Das Talent haben wir doch. Aber in den letzten 20 bis 30 Jahren ist bei uns das Ingenieurs- und Erfinderdenken eingeschlafen. Ein paar kleinere Maschinenbauer vielleicht ausgeschlossen. Bei den Dax-Konzernen, da geht es erst mal ums Geld, und zweitens um irgendein Produkt, aber nie ums große Ganze.
BZ: Die Angst vor dem Silicon Valley treibt Europa um. Da gab es den Ruf des deutschen Wirtschaftsminsters Sigmar Gabriel, Google müsse zerschlagen werden. Andere sagen dagegen, Europa müsse sich dem Wettbewerb stellen.
Schulz: Wettbewerb ist das, was es dazu braucht. Es war bisher in der Digitalwirtschaft ja so, dass alle fünf Jahre der Marktführer seine Position wieder verloren hat. Aber ob das so weitergeht, weiß man nicht. Die Frage ist: Wie stellt man den Wettbewerb her? Es gibt immer die eine Seite, die sagt, man muss den anderen Ketten anlegen, um die eigene Industrie nach vorne zu bringen. Ich sage eher: Man muss den Wettbewerb fördern, indem man die eigene Industrie stärker macht. Es braucht wesentlich mehr Wagniskapital – das ist das große Problem in Deutschland und Europa. In den Vereinigten Staaten werden im Schnitt jährlich 50 Milliarden Euro dafür ausgegeben, in ganz Europa sind es fünf Milliarden. Eine junge IT-Firma mit einer tollen Idee bekommt hier 200 000 Euro, drüben bekommt sie 200 Millionen, das ist ein riesiger Wettbewerbsnachteil. Das Geld ist ja eigentlich da in Deutschland, aber die Banken sind viel zu vorsichtig. Und keine Firma hierzulande steckt ihren Gewinn in eine andere Firma, wie es die Amerikaner tun. Dort hat jede große Firma ihre eigene Wagniskapitalabteilung.
BZ: Google hat ja schon etliche kleine Firmen aufgekauft und forscht an einer ganzen Reihe diverser Projekte: selbstfahrende Autos, Nanopartikel für die medizinische Diagnose, Quantencomputer für ultraschnelle Datenverarbeitung. Was wird das nächste große Ding bei Google?
Schulz: Die virtuelle Realität. An Datenbrillen arbeiten alle Firmen im Silicon Valley. Dafür hat übrigens der deutsche IT-Spezialist Christian Plagemann – er hat in Freiburg promoviert – bei Google die wissenschaftliche Leitung. Es arbeiten überhaupt viele Deutsche bei Google. Alle Firmen im Valley holen sich die besten Ingenieursköpfe aus aller Welt. Und da ist Deutschland der wichtigste Markt.
BZ: Bislang ist Google das, was Amerikaner ein "one trick pony" nennen, ein Zirkuspferd, das nur einen Trick beherrscht. Geld verdient Google zum allergrößten Teil mit den Anzeigen der Suchmaschine. Wird nun zum Beispiel das selbstfahrende Auto ein echtes Geschäft werden?
Schulz: Ich denke schon. Obwohl ich nicht darauf wetten würde, dass Google diesen Bereich dominieren wird. Die Autokonzerne geben ja alle Vollgas und haben noch ein paar Jahre Zeit bis zur Marktreife. Es wird am Ende einen großen Wettkampf geben. Ich glaube auch, dass man mit der Medizinforschung Geld verdienen kann, weil das ein Milliardenmarkt ist, ebenso mit der Telekommunikationstechnik, der Versorgung mit dem Internet in allen möglichen Varianten rund um die Welt. Aber wie viel und wann – das ist die große Frage, die sich alle stellen. Deshalb versucht Google auch, ein bisschen schneller zu laufen als alle anderen. Und sie werden versuchen, sich zu diversifizieren, und zu einem globalen Konzern mit 30, 40 Geschäftsfeldern zu werden.
BZ: Aber ist nicht die Konkurrenz schon dabei, Google zu überholen? Facebook, das viel mehr persönliche Daten seiner Nutzer hat, hat eine Suchfunktion eingeführt und entwickelt sich zum Finanzdienstleister. Das ist doch eine Gefahr?
Schulz: Absolut. Das macht Google auch Angst. Gerade beim E-Commerce sind sie schlecht aufgestellt. Wenn Facebook einen Kaufknopf integriert, könnten die Werbetreibenden von Google dorthin abwandern. Das läuft jetzt schon auf einen Showdown zu.
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