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39 Grad Wassertemperatur

In Basel kann man in beheizten Brunnen baden

Das winterliche Badevergnügen ist eine junge Tradition, die vom Kultur-Kollektiv Hotel Regina erschaffen wurde. Der Verband Pro Fontaines Chaudes bietet auch eine Ausbildung zum Brunnenheizer an.  

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Mehr als nur ein Schmuckstück: Eine Basler Initiative will die Sozialfunktion der Stadtbrunnen stärken – und lädt, wie hier am Stachelschützenbrunnen, ein zum öffentlichen Bad. Foto: DOMINIK DOBER/HOTEL REGINA
Basel hat einen neuen Volkssport: "Brunnen gehn". Während der Wintermonate heizt das Kultur-Kollektiv Hotel Regina historische Brunnen an wechselnden Standorten auf angenehme 39 Grad. Der Badeplausch für Jedermann ist eine gute Gelegenheit, die Stadt einmal ganz entspannt aus einer neuen Perspektive zu erleben.

Der Winter ist auch in Basel dieses Jahr ein milder, doch wenn in den Abendstunden der Nebel vom Rhein in die Altstadtgassen kriecht, braucht es schon etwas Überwindung, um sich für ein Bad im Freien aus seinen Klamotten zu schälen. Die rund 20 Brunnengeher, die sich an diesem Abend auf dem Platz vor der Martinskirche, Basels ältester Pfarrkirche, zwischen naturhistorischem Museum und Schiffslände eingefunden haben, scheint das nicht zu stören. Tapfer tippeln sie mit hochgestellten Zehenspitzen bis zum Beckenrand des Sevogelbrunnens.

Vor dem Baden gibt es eine kühle Dusche

Bevor sich die fröstelnden Körper in den historischen Hot Pot absenken dürfen, besteht Bademeisterin Noemi Scheurer aber noch auf die Dusche vor dem Bad. Das Wasser aus dem Gartenschlauch mit Sprühaufsatz ist nicht gerade eisig, aber doch recht kühl, und die Aufforderung "jetzt bitte auch unter den Armen abbrausen", erfordert Mut. Brunnen gehen mag ein unkonventionelles Badeerlebnis sein, die für öffentliche Bäder üblichen Regeln gelten aber auch hier.

Die weiteren Badevorschriften sind auf einer humorvoll illustrierten Tafel nachzulesen: Im Becken darf nicht geraucht werden. Der Konsum von alkoholischen Getränken ist untersagt. Zudem verpflichten sich die Brunnen-Bader dazu, "alle ihre Körperteile in ihren eigenen Badekleidern zu belassen".

Brunnenbaden ist gelebte Stadtkultur

Nach dem frischen Auftakt geht es dann endlich in den dampfenden Beckentrog, der etwas mehr als knietief gefüllt ist. Genau richtig, um den Körper komplett im warmen Wasser zu versenken. Augenblicklich setzt Entspannung ein und der Kopf geht auf eine imaginäre Zeitreise. Haben so schon die Menschen im Mittelalter geplanscht? Darüber sei nichts bekannt, bedauert Brunnenheizer Christian Holliger, der den öffentlichen Badeplausch 2017 mit dem Kultur-Kollektiv Hotel Regina ins Leben rief. Wohl aber habe man die Brunnen auch früher schon beheizt, um sie eisfrei zu halten.
Info: Einen festen Terminkalender gibt es nicht. Wer sich für das "Brunnen gehn" interessiert, kann sich unter http://www.profontaineschaudes.ch für den Newsletter registrieren, der über kommende Aktionen informiert. Für den Eintritt gibt es eine Kollekte, Richtpreis für Erwachsene:15 Franken.

Mit dem Badebetrieb, der in lockerer Folge etwa alle zwei Wochen während der Wintermonate an wechselnden Brunnen der Stadt stattfindet, wollen die Initianten den Blick auch auf die Verlorengegangene gegangene Sozialfunktion der Stadtbrunnen lenken.

Seit die Industriellen Werke Basel (IWB) 1866 die ersten Hausanschlüsse für die Trinkwasserversorgung verlegten, seien die rund 200 Brunnen der Stadt im Grunde nur noch Kulisse, bedauert Holliger. Dabei ist das Brunnenbaden zumindest im Sommer, ebenso wie das Rheinschwimmen, längst Bestandteil der gelebten Stadtkultur.

Das gesamte Heizsystem ist Marke Eigenbau

Die IWB haben sogar eine Karte mit elf ausgewählten Brunnen veröffentlicht, in denen es sich angenehm planschen lässt, wenn die Sonne auf den Asphalt brennt. Dass der Winter nun auch zum Baden einlädt, dafür sorgt nicht zuletzt der Verband Pro Fontaines Chaudes, der an das Hotel Regina angeschlossen ist, und bei dem sich das Handwerk des Brunnenheizens sogar erlernen lässt. Auch in dieser Saison erfahren zehn Auszubildende, was es denn braucht, um aus einem Brunnen einen Badepool zu machen. Und das ist vor allem Zeit.

Christian Holliger ist schon um zehn Uhr mit dem Fahrrad zum Sevogelbrunnen gefahren, im Lastenanhänger hatte er den selbstgebauten Holzofen mit eingebautem Wassertank, in dem das Brunnenwasser erhitzt wird. Außerdem eine mit einer Fahrradkurbel angetriebene Pumpe, für den Wasseraustausch, eine mobile Umkleide und einen großen Topf für den heißen Tee, der später unter den Badenden herumgereicht wird. Den ganzen Tag hat Holliger geheizt, pedaliert, die Temperatur geprüft, Holz nachgelegt. Erst als die ersten Gäste im warmen Wasser sitzen, hat er Feierabend und andere übernehmen die Arbeit am Kessel. Wenn es mal ruhig im Becken ist und alle wohlig schweigen, hört man das gleichmäßige Rattern des Kettenantriebs, der die Pumpe am Laufen hält, und das Knistern des Feuers im Ofen.



Ressort: Basel

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 30. Januar 2020: PDF-Version herunterladen

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