Verkehr
Immer kürzere Haltbarkeit: Brücken im Südwesten
Übermäßig viele Brücken im Land sind sanierungsbedürftig. Das liegt auch daran, dass der Schwerverkehr stark zugenommen hat. Viele vor allem ältere Stahlbetonbrücken sind dem nicht mehr gewachsen.
Mi, 22. Feb 2017, 16:10 Uhr
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Woran lag es, dass eine Brücke, die erst 1971 errichtet worden ist, vollständig erneuert werden muss? Die Immensitzbrücke ist ein Spannbetonbauwerk. Das heißt: Im Inneren besitzt sie ein Stahlgerüst, das in Beton gehüllt ist. Der Beton sorgt für Festigkeit, der Stahl für Belastbarkeit über größere Spannweiten. Diese Konstruktion gerät jedoch in Gefahr, wenn der Stahl rostet – weil durch Risse im Beton Wasser eindringt, weil durch Belastung oder Witterungseinflüsse der Beton abplatzt, sodass der Stahl freiliegt. Durch Korrosion wird der Stahl spröde, verliert seine Elastizität.
Genau dies war bei der Immensitzbrücke der Fall: Nach der alle sechs Jahre stattfindenden Hauptprüfung war sie mit der Note 3,4 bis 3,5 bewertet worden. Das bedeutete keine Einsturzgefahr, der Verkehr darf weiter rollen, aber mit eingeschränktem Tempo. Doch die Straßenbauverwaltung muss schon bei der Note 3,0 handeln. Gesperrt würde die Brücke erst bei 4,0.
Wie hat es überhaupt zu diesen Schäden kommen können, wenn doch das Bauwerk eigentlich 60 Jahre länger hätte halten sollen? Leo Andlauer, der Chef des Referats Ingenieurbau im Freiburger Regierungspräsidium, nennt eine Reihe von Ursachen, an erster Stelle die starke Zunahme des Straßenverkehrs, die zum Bauzeitpunkt nicht absehbar war. Autobahnbrücken der 70er-Jahre müssen eine Verkehrsbelastung verkraften, die seither um 60 Prozent gewachsen ist. Darauf sind sie nicht ausgelegt. Vor allem mehr schwere Lastwagen rollen über die Brücken: Der Gütertransport auf der Straße hat sich in den vergangenen 40 Jahren mehr als verdreifacht.
Andreas Ruf, Geschäftsführer des Straßenbauunternehmens Joos in Hartheim bei Freiburg, setzt die Belastung eines Lkw für die Statik einer Brücke gleich der von 7000 Personenwagen. Bauingenieure verweisen auch auf die steigende Zahl von Schwertransporten, die zwar seltener sind, aber durch ihr hohes Gewicht die Spannkraft der Brücke ausleiern.
Ruf führt auch veränderte klimatische Bedingungen an: saurer Regen, starke Temperaturschwankungen – das setze dem Beton zu. Auf der anderen Seite ist aber die Bautechnik nicht untätig geblieben. Heute wird offen eingeräumt, dass bis in die 70er-Jahre hinein der Spannbeton nicht zureichend erforscht war. Erst zunehmende Schäden an Brücken zeigten, dass Grundbedingungen erfüllt sein müssen, um ihn haltbarer zu machen. Das gilt insbesondere für die Dicke, mit der Beton den Stahl überdecken muss – da wurde in der Vergangenheit oft zu knapp kalkuliert. In der Literatur ist zu lesen, dass die Spannbetonbauweise erst seit Mitte der 80er-Jahre als bewährte Methode gilt. Für alles davor ist nachträglich Lehrgeld zu zahlen in Form aufwendiger Sanierungen oder Neubauten.
Das wird freilich nicht dem Zufall überlassen. Andlauer muss die Brücken in seinem Zuständigkeitsbereich in sechsjährigem Turnus gründlich durchchecken lassen. In dieser sogenannten Großen Hauptprüfung werden die Bauwerke "handnah", wie der Fachmann sagt, untersucht – auf undichte Fugen, Risse, Abplatzungen, technische Schäden, aber auch auf rostige Geländer oder schadhafte Wasserabflüsse. Mit dem Hammer wird abgeklopft, wo Verdacht auf lose Stellen besteht, und man schaut die Bauwerke insbesondere von unten detailliert an.
Danach gibt es eine Bewertung. Alle Brücken mit der Note 3 und schlechter landen auf der Agenda von Andlauers Abteilung. Hinzukommt eine kleine Prüfung drei Jahre nach der Hauptprüfung, bei der genaues Hinschauen genügt, zudem begehen die Mitarbeiter des Außendienstes jährlich die Bauwerke. Diese Regeln gelten für Brücken aller Art und aller Baumaterialien. Holz, reine Stahlkonstruktion oder Spannbeton: Große Unterschiede in der Haltbarkeit sieht Andlauer zwischen diesen Alternativen nicht – stets vorausgesetzt, sie werden fachgerecht verbaut. Welches Material bei einem Neubau zum Zuge kommt, ist deshalb eine Frage der Anforderungen: Die Immensitzbrücke wird aus statischen Gründen teilweise als Stahlkonstruktion neu gebaut – eine Entscheidung gegen Spannbeton ist das nicht.
Derzeit umfasst Andlauers Arbeitsliste eine überschaubare Zahl an akuten Sanierungsfällen: 7,6 Prozent seiner 2700 Brücken haben die Note 3, weniger als ein Prozent die Note 3,5. Um diese Probleme anzupacken, steht nach seiner Aussage genug Geld bereit. Das war schon mal anders. Deswegen gab (und gibt es in vielen Städten noch) einen Sanierungsstau. Will heißen: Manche Brücke verfiel weiter, bis sie nicht mehr zu reparieren war. Bauunternehmer Andreas Ruf: "Die öffentliche Hand hat jahrelang den Verschleiß unterschätzt, und statt rechtzeitig die Brücken zu warten, hat man genau daran gespart."
Heute ist Andlauers Problem nicht das Geld, sondern das Personal, das nicht reicht für alle anstehenden Bauaufgaben. Im Regierungspräsidium waren wie in der gesamten Landesverwaltung noch bis vor zwei Jahren Stellen gestrichen worden. Nun gibt es zwar wieder neue, aber der Arbeitsmarkt ist leergefegt, der Nachwuchs an Bauingenieuren rar. Diesen Personalmangel gibt es auch aufseiten der Bauwirtschaft, wie Andreas Ruf bestätigt.
Leidet darunter die Qualität? Nein, sagt Ruf, die habe sich im Bauwesen vielmehr extrem verbessert, zudem gebe es mehr Kontrollen. Und bewussten Pfusch könne sich niemand erlauben. Andlauer dagegen sieht immer wieder Pfusch am Bau, Kostendruck und mangelnde Fachbildung der Arbeiter seien Ursachen dafür. Aber auch der Personalmangel in seiner Abteilung, Bauplanung und Bauaufsicht könnten intensiver sein. Liefe jedoch alles richtig, sagt Andlauer, müssten neue Spannbetonbrücken wegen des weit besseren Materials – Beton habe heute die doppelte Festigkeit gegenüber früher – mindestens 80 Jahre halten.
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