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Landwirtschaft

Hightech in der Bonndorfer Landwirtschaft

Martha Weishaar
  • Sa, 05. Oktober 2024, 09:00 Uhr
    Bonndorf

     

Kaum eine Branche wird so romantisiert wie die Landwirtschaft. Dabei spielt moderne Agrartechnologie bei Landwirten eine zentrale Rolle. Jannik und Wilfried Dietsche vom Beckehof in Dillendorf gewähren einen Einblick.

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Wilfried (links) und Jannik Dietsche erklärten den Melkroboter. Foto: Martha Weishaar
Auf den ersten Blick sieht der Traktor vor der Maschinenhalle so aus, wie moderne Traktoren eben aussehen. Erst beim genaueren Hinsehen fällt das GPS-Gerät auf dem Dach der Fahrerkabine auf, das die Fahrwege des Schleppers steuert. Die Fahrerkabine ist mit mehreren Bildschirmen bestückt. Herzstück ist die Applikationskarte, mit der Jannik Dietsche Daten einspeist, auf welcher Fläche er mit welcher Maschine gerade arbeitet. Je nachdem ob Pflanzenschutzspritze, Düngerstreuer, Güllewagen oder Sämaschine am Traktor angehängt sind, wird der Traktor auf 2,5 Zentimeter genau gesteuert. Die Arbeitsbreite der Maschinen ist angepasst. "Bei Breiten von 20 bis 30 Metern kann man mit dem bloßen Auge gar nicht mehr erkennen, wo bereits gespritzt wurde", erklärt Jannik Dietsche den Vorzug der GPS-Steuerung. Auf diese Weise wird nirgendwo doppelt Saatgut ausgebracht oder gedüngt. Zudem speist er ein, an welchen Stellen Äcker steinig und wenig ertragsreich sind. Folglich wird dort weniger Dünger ausgebracht als auf tiefgründigen, fruchtbaren Böden. Voraussetzung ist, dass GPS-Signale korrekt übertragen werden. Fallen die Signale aus, ist der Landwirt aufgeschmissen, muss seine Arbeit abbrechen. "Das kostet dann ganz schnell richtig Geld."

Auch der Stall ist technisch auf neuestem Stand. Das Melken der Kühe übernehmen zwei Melkroboter. Ein dritter soll demnächst installiert werden. Zuweilen muss der Melkvorgang händisch unterstützt oder Kühe gezielt in den Melkstand gelotst werden. Melkvorgänge werden akribisch dokumentiert, etwa welche Zitze in welcher Zeit wie viel Milch bei welcher Temperatur abgibt. Die Milch von Muttertieren wird in einem Kälbertaxi separiert. Jedes Kalb erhält die Milch seiner eigenen Mutter. Vital-Halsbänder zeichnen für jede Kuh Fressmenge, Ruhepausen, Milchleistung oder gesundheitliche Störungen auf. Ein selbständig gleitender Futteranschieber gewährt, dass jederzeit genügend Futter in Reichweite der Tiere liegt. Kraftfutterstationen sind ein zusätzlicher Anreiz für die Kühe, den Melkroboter zu passieren. "Trotz aller Technik muss man rund um die Uhr parat sein, wenn der Melkroboter eine Störung oder der Sender einer Kuh gesundheitliche Beeinträchtigungen meldet", relativiert Jannik Dietsche die vermeintliche Unabhängigkeit. Die Gesundheit der Tiere hat Priorität. Klauenpflege, automatische Kuhbürsten sowie Ventilatoren, die an heißen Tagen Kühlung verschaffen, sorgen überdies für deren Wohlbefinden.

Landwirtschaftstechnik wird gekauft oder gemietet. Jannik Dietsche entscheidet sich bei etlichen Geräten für den Kauf, zumal wenn es Förderprogramme gibt. Einige Maschinen teilt er sich mit einem Kollegen in Bachheim. Vereinzelt vergibt er Arbeiten an Lohnunternehmen. "Kaufen lohnt nur, wenn eine Maschine intensiv genutzt wird. Vor dem Hintergrund stellt sich die Frage, ob wir weiterhin vier eigene Traktoren haben werden", erklärt der 29-Jährige Überlegungen, Schlepper künftig temporär anzumieten. Freilich gibt es stets neue Förderprogramme für innovative Technik, häufig in Zusammenhang mit verbindlichen Finanzierungsmodellen. Nach zehn Jahren sind die Maschinen abgeschrieben. Gerade mal 20 Jahre dauert die Abschreibungszeit für den Stall, den Dietsches vor fünf Jahren für 1,5 Millionen Euro gebaut haben. "Das Geld muss während dieser Zeit verdient sein", betont der 71-jährige Senior, der seinen Hof vor sechs Jahren an den Sohn übergeben hat. Und weist damit auf die Verschuldungsspirale in der Landwirtschaft hin. Wilfried Dietsche hinterfragt kritisch, wem all diese Programme am Ende mehr nutzen: der Landmaschinenindustrie oder den Bauern. Unabhängige Recherchen zeigen, dass die Verschuldung von Landwirten deutlich gestiegen ist, Abschreibungszeiten hingegen verkürzt wurden. Weltweit erwartet die Landmaschinenindustrie ein jährliches Wachstum von mehr als sieben Prozent, um den globalen Bedarf an Nahrungsmitteln sichern zu können. Andererseits vermeldet die Bauernzeitung in ihrer August-Ausgabe, dass namhafte Landmaschinenhersteller nach Rekordumsätzen in Schieflage geraten sind und sogar Insolvenzen drohen. Moderne Agrartechnik ist unverzichtbar, wenn man, wie im Fall der Dietsches 150 Milchkühe versorgt und etwa 150 Hektar Fläche bewirtschaftet. Unterstützung gibt’s für die Landwirtsfamilie durch die aus Blumegg stammende Auszubildende Jasmin Kech sowie Helfer, die stundenweise mitwirken. Unabhängig vom technischen Standard bleibt der Beruf des Landwirts ein 24/7-Job. Trotzdem lieben sowohl Dietsche Senior als auch Dietsche Junior diesen Beruf.

Ressort: Bonndorf

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