Tanz aus Protest
Harlem Shake erobert arabische Reformstaaten
Während junge Leute auch aus Protest auf den Straßen tanzen, stören sich islamische Traditionalisten an westlichen Einflüssen.
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In den Ländern des arabischen Frühlings hat das Phänomen indes auch eine hoch politische Dimension. In Tunesien etwa wagen sich immer mehr Schüler vor die Kamera. Auch hier wird zu dem Ohrwurm – 31 Sekunden – wild getanzt. Die Kleidung fällt oft spärlich aus. Jungs und Mädchen bewegen sich in anzüglicher Weise. Westlich Gekleidete jagen Tänzer in traditionellem Gewand durch die Szene. Die Reaktionen von Bildungsminister Abdelatif Abid ließ nicht auf sich warten. Für den sozialdemokratischen Politiker, dessen Partei Ettakatol in Koalition mit der islamistischen Ennahda regiert, ist der Tanz ein Angriff auf die guten Sitten. Für die radikalen Salafisten ist Harlem Shake gar "haram" – Sünde vor dem Koran. Der Harlem Shake wird zum Symbol eines Kulturkampfs der westlich orientierten, säkularen Jugend gegen Traditionalisten und Islamisten.
Alles begann vor etwas mehr als einer Woche im Gymnasium Père Blanc in einem Vorort von Tunis. Die Schüler tanzten auf dem Schulhof und stellten die Aufnahme ins Netz. Minister Abid leitete Untersuchungen gegen Lehrer und Schüler ein. Es könne zu Schulausschlüssen kommen, erklärte Abid in einem Radiointerview. Auch die Salafisten wurden auf den Tanz aufmerksam. Sie machen ebenfalls im Netz mobil und versuchten vergangene Woche – teils erfolgreich – mit Gewalt neue Videoaufnahmen an anderen Schulen zu verhindern. "Unsere Brüder in Palästina werden von den Israelis getötet und ihr tanzt", schrien die Salafisten vor dem Sprachinstitut Bourguiba in El Khadra, vor den Toren der Hauptstadt. "Haut ab! Haut ab!", lautete die Antwort der Sprachstudenten. Mehrere Lehrer umringten einen Salafisten, der versuchte, einen Brandsatz zu aktivieren. In Sidi Bouzid, von wo die Revolution gegen Diktator Ben Ali Ende 2010 ihren Ausgang nahm, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Schülern und Salafisten. Und im Mittelmeerstädtchen Sousse ging die Polizei gegen Schüler vor, nachdem der Direktor eines Gymnasiums den Tanz verboten hatte.
Doch die Welle scheint nicht mehr zu stoppen zu sein. Vorigen Freitag versammelten sich Hunderte erboste Gymnasiasten vor dem Bildungsministerium in Tunis und tanzten dort. "Bei diesem Streit geht es um wichtige Fragen, wie die Meinungsfreiheit, das Recht auf Nonkonformismus und das Recht zu feiern", erklärt Inès Abichou, eine der drei, die den "Riesen-Harlem-Shake" vor dem Ministerium per Facebook organisiert haben. Die Bewegung greift bereits auf das zweite Land der Revolution 2011, auf Ägypten, über. Dort versammelten sich vorige Woche rund 400 junge Menschen zum Harlem Shake vor dem Parteibüro der Muslimbrüder von Ägyptens Präsident Mohammed Mursi in Kairo.
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