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Gewagte Sprünge in traditioneller Tracht

Cholitas aus Bolivien skaten in einer sehr konservativen Gesellschaft gegen Machismo und Rassismus – und erhalten viel Lob.  

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Eine Cholita in Aktion   | Foto: Sandra Weiss
Eine Cholita in Aktion Foto: Sandra Weiss
Konzentrierte Stille herrscht auf dem Skateplatz von Cochabamba, unterbrochen nur vom Rollen und Klackern der Boards bei Sprüngen und Drehungen. Ein Dutzend Jungs haben sich vor dem Kulturzentrum der bolivianischen Stadt eingefunden. Plötzlich kommt Unruhe auf: Brenda, Daniela und Daisy rollen auf den Platz, 26, 25 und 24 Jahre alt, die eine Psychologin, die andere Grafikdesignerin, die dritte angehende Sportstudentin.

Minuten zuvor noch junge Frauen in Jeans und T-Shirt, haben sie sich im Hinterzimmer des Skateshops in Cholitas verwandelt. Sie tragen ausgestellte, mehrlagige Röcke, bestickte Blusen, lange schwarze Zöpfe, einen weißen Hut. Es ist die traditionelle Tracht der einheimischen indigenen Frauen – und ein Stigma.

Cholita, das ist für viele Bolivianer gleichbedeutend mit Bauernmädchen, etwas provinziell, etwas rückständig. Dem Klischee wollen die pfiffigen Mädchen der Gruppe namens Imilla Skate etwas entgegensetzen. "Urbane Kultur und Tradition schließen sich nicht aus", sagt Daniela Santibañez, die Grafikdesignerin. "Wir alle sind Enkelinnen und Töchter von Cholitas, aber wegen der Stigmatisierung trugen wir immer nur westliche Kleidung. Dass unsere Kultur auszusterben droht, fand ich irgendwann schade", erklärt Daisy López, die Sportstudentin in spe, die die gewagtesten Sprünge hinlegt und von den Jungs anerkennende Pfiffe erntet. "Vorwärts Cholita!" ruft einer.

Was für López’ Großmutter abwertend gemeint war, ist für ihre Enkelin Lob und Ansporn. 2019, beim städtischen Kulturfestival, beschlossen die Mädchen, Tracht anzulegen. Der spontane Gag hatte durchschlagenden Erfolg. Sie bekamen Applaus, die Presse rannte ihnen die Türen ein. Als Freunde ein professionelles Video in die sozialen Netzwerke stellten, kamen hunderte Botschaften, in Cochabamba wuchs die Gruppe auf elf Teilnehmerinnen, in La Paz bildete sich ein Ableger. "Die meisten Reaktionen waren positiv, nur ein paar kritisierten, wir würden die Traditionen verunglimpfen", erzählt Santibañez. Manchmal rollen sie nur zum Spaß durch die Stadt. Mancher Autofahrer tritt dann ungläubig auf die Bremse.

Skaten im Rock sei anfangs gewöhnungsbedürftig gewesen, räumt Brenda Tinta ein, die Psychologin. "Er ist etwas schwer, aber dafür ist er luftig und schwingt schön", sagt sie. Das schwierigste sei, den Hut nicht zu verlieren bei den Sprüngen. Eine Hutschnur hilft.

"Ich finde die Mädchen super", sagt Alejandro Callejas, einer der Skaterjungs. "Sie fusionieren urbane US-Skatekultur und unsere Traditionen und machen damit Bolivien international bekannt." Seit es Imilla gibt, sind sie die Stars der Piste – auch wenn die Jungs höher und akrobatischer springen. Die jungen Frauen haben eine Botschafterfunktion übernommen. Mit ihrem Outfit, gepaart mit keckem Selbstbewusstsein, rebellieren sie gegen Stereotype einer sehr konservativen Gesellschaft.

Die Frauenrechtlerin Fanny Guzmán zollt ihnen Respekt. "Rassismus und Machismo und eine patriarchale Kultur sind in Bolivien noch stark verwurzelt", sagt die Psychologin der Nichtregierungsorganisation Interteam. Frauen hätten auf dem Land nichts zu sagen, chauvinistische Sprüche höre man auch aus dem Mund angeblich progressiver Politiker. Gewalt gegen Frauen sei alltäglich. Neun von zehn bolivianischen Frauen und Mädchen, so Guzmán, wurden einer Umfragen zufolge schon sexuell belästigt.

"Das muss aufhören. Wir wollen Respekt!" fordert Daniela selbstbewusst. "Und den anderen zeigen, wie cool es ist, eine skatende Cholita zu sein."

Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 30. November 2020: PDF-Version herunterladen

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