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Pussy Riot

Gesang, der sich nach Parolen-Schreien anhört

Die russische Künstlerinnengruppe Pussy Riot steht in der Tradition der amerikanischen "Riot Grrrl"-Bewegung  

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Pussy-Riot-Unterstützerinnen Foto: dpa
Gefängnis oder nicht? In Moskau soll heute das Urteil im Prozess gegen die drei Frauen von Pussy Riot verkündet werden. Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch werden wohl in Haft kommen für das "Punk-Gebet", das sie im Februar in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau aufführten, um gegen Wladimir Putin und die kirchliche Unterstützung für dessen Präsidentschaftskandidatur zu protestieren.

Was hat man sich unter einem "Punk-Gebet" vorzustellen? Im Internet ist die Aktion von Pussy Riot dokumentiert, auf Youtube oder auf der Netzseite der Aktion Free Pussy Riot, dort sogar mit englischer Übersetzung. Man sieht drei Frauen, zeitweise vier (warum wurden aber nur drei verhaftet?), die in der Kirche hüpfend tanzen, dazu hört man einen Song, der aus teils Punk, teils Kirchengesang besteht. Auch wenn man dazwischen geschnitten kurz zwei Frauen Gitarre und Bass spielen sieht, ist die Musik nicht live.

Pussy Riot werden in der Berichterstattung meist als Punk-Band bezeichnet. Im Netz sieht man mal mehr, mal weniger Künstlerinnen bei den Aktionen, die da aufgezeichnet sind. Auf Wikipedia heißt es, rund zehn Frauen gehörten zu der Gruppe. Wie viele Musikerinnen sind, bleibt offen. Über Samuzewitsch ist im Netz zu lesen, dass sie eine private Kunsthochschule absolviert hat und als Beste des Jahrgangs gelobt wurde, vor allem für ihre Installationen.

Riot Grrrls gehen aggressiv gegen Weiblichkeitsklischees an

Vor dem Punk-Gebet traten Pussy Riot in Metro-Stationen und auf einer Einkaufsstraße auf, vor einem Gefängnis und vor dem Kreml. Man sieht sie in den Videos in ihren bunten Kleidern und Strumpfhosen, aber auch mit den maskenartigen Strickmützen zu krachiger Musik tanzen. Bewusst weiblich, anonym und aggressiv.

Pussy Riot beziehen sich auf die amerikanische "Riot Grrrl"-Bewegung: Anfang der 1990er Jahre hatten sich in der US-Punkrock-Szene Frauen-Bands gegründet, die den Sexismus in den USA angriffen. Zu den prominentesten Sängerinnen gehörte Courtney Love von Hole (deutsch: Loch), die später Nirvana-Sänger Kurt Cobain heiratete. Zu den besten Bands zählte Bikini Kill, deren Sängerin Kathleen Hanna jetzt zu den Unterstützerinnen von Pussy Riot gehört.

Dem Vorbild der Amerikanerinnen mit ihren kämpferischen Bandnamen folgten Frauen-Bands in aller Welt. Auf dem Internetportal Myspace gibt es vier Songs von Pussy Riot zu hören – einer Band aus dem italienischen Bologna, die genauso heißt wie die Moskauerinnen und sich ausdrücklich auf die Riot Grrrls bezieht.

Die Musik zu den Videos der russischen Pussy Riot ist ein lärmiger Angriff mit verzerrten Gitarren und Gesang, der sich mehr nach Parolen-Schreien anhört. Sie entspricht der Riot-Grrrl-Haltung: aggressiv gegen Weiblichkeitsklischees angehen. "Frauen sollen Leben und Liebe geben", heißt es in ihrem Punk-Gebet, "oh jungfräuliche Mutter Gottes, werde zur Feministin!" Damit aber nicht genug: "Der Patriarch glaubt an Putin / Hure, er sollte lieber an Gott glauben", heißt es ein paar Zeilen später. Pussy Riot greifen Russlands Machthaber, den Macho Putin und seine kirchlichen Unterstützer an. Im autokratischen System Russlands betreiben sie nicht nur Gesellschaftskritik, sondern auch politische Kritik.

Und weil zumindest Nadeschda Tolokonnikowa trotz ihrer erst 22 Jahre schon über Erfahrung in Aktionskunst verfügt, wie ihr Mann dem Spiegel berichtete, wusste sie, wie man den Protest wirksam inszeniert. In die Kirche zu gehen dafür steht in bester Tradition. Dass die Provokation so gut wirken würde, hätten Pussy Riot vielleicht nicht gedacht.

Ressort: Neues für Schüler

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