Fridays-for-Future-Streik
Für welche Zukunft lernen? Rund 500 Schüler streiken fürs Klima
Der erste Schülerstreik von Fridays for Future gegen eine zögerliche Klimapolitik übertrifft die Erwartungen der Veranstalter bei weitem. Schülerinnen und Schüler fast aller Schularten protestierten gemeinsam.
Fr, 18. Jan 2019, 15:12 Uhr
Offenburg
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Eine Umfrage zeigte, dass sowohl Gymnasiasten, Werkreal- und Realschüler, Berufsschüler und Waldorfschüler sowie Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen des Kreisschulzentrums mit fantasievoll beschriebenen Transparenten auf den Rathausplatz gekommen waren. Die Schulleitungen hatten das vom Regierungspräsidium bekräftigte Verbot einer Kundgebung während der Unterrichtszeit sehr unterschiedlich gehandhabt. Während einige, darunter die des von der Erzdiözese getragene Kloster-Gymnasiums, angekündigt hatten, das Fernbleiben zu sanktionieren, habe nach Aussagen von Schülerinnen dagegen die Schulleitung der Haus- und Landwirtschaftlichen Schulen etwa erklärt, auf Sanktionen verzichten zu wollen. Auch die Freie Waldorfschule ging liberal mit dem Verstoß gegen die Schulpflicht um. Ein Klasse, die eigentlich eine Arbeit schreiben sollte, war inklusive Lehrer erschienen. Wie der Schulstreik im – mehrfach von Rednern angekündigten – Wiederholungsfall gehandhabt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Rednerinnen und Redner aus Schülerkreisen forderten vor dem Rathaus von Politik und Gesellschaft einen sofortigen Wechsel in der Klimapolitik, um das 1,5 Grad-Klimaziel noch erreichen zu können. Sie warfen der Politik vor, für Profite der Konzerne die Zukunft der Jugend zu verspielen. Darin, so erklärten mehrere Rednerinnen und Redner, sehen die Schüler auch die Legitimation für ein Bestreiken des Unterrichts, denn, so eine Rednerin: "Für welche Zukunft soll man da noch lernen?" Das klang ein bisschen nach dem "No Future" der Punkbewegung der 1970er Jahre. Mit dem Unterschied, dass hier der Protest optisch im jungbürgerlichen Gewand daherkommt. Ein Schüler zitierte Greta Thunberg mit dem Satz "Euch gehen die Ausreden aus und uns die Zeit".
Offenburgs Oberbürgermeister Marco Steffens begab sich aus dem Rathaus, vor dem die Demonstration stattfand, herab zu den Streikenden, um ihnen die Mitarbeit an der Jugendbeteiligung für die Offenburger Landesgartenschaubewerbung zu empfehlen. Dort würden wichtige ökologische Zukunftsthemen verhandelt. Auf kommunaler Ebene sei es genau so wichtig die Ökologie voranzubringen.
Ebenso wie bei der Rede eines gewerkschaftsnahen Schülerredners zuvor, der das Ökothema mit marxistisch angehauchter Kapitalismuskritik verband, gab es auch zu Steffens Redebeitrag Widerspruch aus den Reihen der Demonstranten. Was er denn für den ÖPNV tue und ob er bei städtischen Empfängen veganes Fingerfood anbieten würde? Steffens entgegnete , dass er erst fünf Wochen im Amt sei, das Thema ÖPNV in Bearbeitung und das, was man esse, immer noch Privatsache sei. Dann wurde das Mikrofon weitergereicht und der OB diskutierte mit den Fridays for Future-Aktivisten noch eine geraume Zeit privat weiter.
Mehr Resonanz als der Auftritt des CDU-Oberbürgermeisters erreichte die Rede des Grünen-Stadtrats und ehemaligen Lehrers Stefan Böhm, der erklärte, dass die anwesenden Schülerinnen und Schüler keineswegs schwänzen, sondern momentan in vorbildlicherweise an einem besonderen Gemeinschaftskundeunterricht teilnehmen würden. Er unterstellte öffentlich, dass Oberbürgermeister Marco Steffens jedem anwesenden Schüler das gerne schriftlich bestätigen würde. Selbstverständlich durfte im Kommunalwahljahr 2019 bei Böhm auch nicht der Hinweis fehlen, dass bei der Wahl am 26. Mai auch Jugendliche ab 16 Jahre wahlberechtigt sind und dass diese den Klimaschutz wählen sollten.
Ein Versuch, die Kundgebung nach deren Ende in einen Demonstrationszug durch Offenburger Straßen umzuwandeln, wurde von der Polizei mit Hinweis auf die Nichtanmeldung und die Gefahren des Straßenverkehrs am Lindenplatz unterbunden.
Jana Schwab von Fridays for Future Offenburg hatte vor der Kundgebung auf Anfrage erklärt, dass ein Erfolg des ersten Streiks der Maßstab für eine Wiederholungsentscheidung sei. 200 Teilnehmer würden als Erfolg gewertet. Nach diesem Auftakt ist also mit weiteren Freitagstreiks zu rechnen. Am 25. Januar ist allerdings der Streikschwerpunkt Berlin, wenn dort die Kohlekommission tagt.