Lingekopf im Elsass
Freiburger Schüler übersetzen französische Gedenktafeln
Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg ist vielerorts national – auch am Lingekopf oberhalb des Münstertals. Das soll sich ändern. Freiburger Schüler haben für die Gedenkstätte die Ausstellungstexte übersetzt.
Mi, 3. Sep 2014, 11:05 Uhr
Südwest
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Am Lingekopf war es vor allem zwischen Juli und Oktober 1915 zu heftigen Kämpfen zwischen deutschen und französischen Truppen gekommen. 10.000 Menschen starben damals, von denen nur ein Teil auf den benachbarten Friedhöfen Hohrodberg-Bärenstall und Col du Wettstein begraben ist. Und noch ein Jahrhundert später werden auf dem wenig übersichtlichen Schlachtfeld Gebeine geborgen.
Exkursionen zum Lingekopf sind für Schulen aus der Region Freiburg wegen der Nähe keine Seltenheit: Dafür reicht ein Schultag. Bei Besuchen hatte Frank Hack, bis zu den Sommerferien Lehrer an der Staudinger-Gesamtschule in Freiburg, feststellen müssen, dass alle Erläuterungen in der Gedenkstätte, ob nun im Museum oder draußen auf dem restaurierten Kampfareal, nur in Französisch gegeben werden – was nicht alle Schülerinnen und Schüler verstanden. Damit war die Idee geboren, im Zuge eines Schulprojekts Übersetzungen zu erarbeiten – eine Idee, die auch beim 1968 gegründeten privaten Trägerverein des Memorials auf positive Resonanz stieß. Zumal dieser ohnehin plante, seine Ausstellung, die heute auf recht engem Raum in einem zweistöckigen Bau untergebracht ist, zu erweitern und neu zu organisieren – was im kommenden Winter geschehen soll.
Also brach Frank Hack mit 17 Schülerinnen und Schülern im Juli auf zum Lingekopf, begleitet von seiner Französisch-Kollegin Camille Fritsch. In seinem Geschichtsunterricht hatte er die Klasse auf das Thema eingestimmt, und der Historiker Gerd Krumeich, Experte für den Ersten Weltkrieg und früherer Professor von Hack, hatte dazu einen Vortrag gehalten.
Doch vor Ort erlebten es die Jugendlichen dann noch einmal ganz anders: "Dort oben am Lingekopf ist mir viel klarer geworden, was Schützengraben eigentlich bedeutet und wie krass das Leben in diesen Gräben für die Soldaten gewesen sein muss", erzählt Johanna Vetter. Und Joel Niederleitner fand es interessant, so anschaulich die Ausrüstung, die Waffen, die Organisation des Militärs – zumeist waren auf beiden Seiten Gebirgsjäger im Einsatz – kennenzulernen. Die Gruppe erkundete die freigelegten, verwinkelten Laufgänge, die Beobachtungsposten, die Unterstände und Betonbunker auf dem einstigen Schlachtfeld. Aber sie waren ja zum Arbeiten gekommen. Mit ihren Handys fotografierten die Schüler der Klasse kurzerhand die französischen Texte in dem liebevoll von ehrenamtlichen Kräften eingerichteten Museum, dann machten sie sich in Lapoutroie, wo sie sich in einem Hotel einquartiert hatten, mit großem Eifer an die Rohübersetzung. Die Wörterbücher kamen freilich bei militärischen Spezialbegriffen rasch an ihre Grenze, also wurde im Internet weiter recherchiert. Oben am Berg wurde danach überprüft, ob Text und Objekt wirklich zueinander passten.
Die Übersetzung erwies sich nicht immer als einfach. Johanna Vetter: "Ab und zu waren Sätze unverständlich – da haben wir dann nach einer neuen Bedeutung gesucht." Mancher Satz verlangte auch nach eingehenderen Erklärungen, um die dahinter stehenden historischen Vorgänge zu zeigen, wie Nicole Gurenko berichtet. Sie hat sich dadurch zum ersten Mal intensiv mit dem Weltkrieg auseinandersetzen müssen.
Und dann gab es noch einige wenige Passagen, die den Kampf im Schützengraben mit dem Pathos der Heldenverehrung beschrieben – da setzen die Schülerinnen und Schüler auch mit stilistischen Korrekturen in ihren Texten an.
Am Ende standen 30 Seiten mit übertragenen Texten. Sie wurden nochmals gegengelesen von professionellen Übersetzern, die von der Qualität der Schülerarbeit überrascht waren. Erst dann präsentierte Hack das Ergebnis dem Präsidenten des Vereins, Dominique Muller, der als General auch in der Deutsch-Französischen Brigade gedient hatte und deshalb sehr gut Deutsch spricht.
Muller, den die Schülerarbeiten überzeugten, will die Texte übernehmen, wenn das Museum umgebaut wird. Und was die Entheroisierung der Darstellung angeht, da hat der General außer Diensten großes Verständnis. Nur muss er, so deutete er gegenüber Hack an, Rücksicht nehmen auf die Gefühle seiner Vereinsmitglieder, darunter viele Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Und die wollen aus diesem Erlebnis heraus nicht so gerne, dass deutsches und französisches Gedenken an "la Grande Guerre" von 1914/18 allzu nahe aneinanderrücken. Sie wollen lieber die nationale Perspektive bewahren – und auch die französische Fahne allein am Mast über dem Memorial wehen lassen, anders als inzwischen am Hartmannsweilerkopf.
- Dossier: Freiburg im Ersten Weltkrieg
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