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Interview

Freiburger Grünenpolitiker zur Homöopathie: "Mit dem Geld kann man deutlich Besseres machen"

Er ist einer von 270, die das Thema auf die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen gebracht haben: Der Freiburger Jan Otto setzt sich dafür ein, dass Kassen keine Homöopathie mehr erstatten. Warum?  

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20 Millionen Euro geben die Kassen im Jahr für die Erstattung homöopathischer Mittel aus. Für Jan Otto ist das Verschwendung. Foto: Andrea Warnecke
Populäre Themen gehen anders. Der Freiburger Grüne Jan Otto, 27, fordert mit rund 270 Mitstreitern seine Partei auf, sich dafür einzusetzen, dass die Kassen – wie bald in Frankreich – nicht mehr für Homöopathie zahlen. Über den Antrag entscheiden Mitte November die Grünen auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz in Bielefeld. Otto rechnet mit einer spannenden Debatte, nicht alle Parteikollegen hätten sich den Antrag gewünscht.

BZ: Herr Otto, hat ein Arzt Ihnen schon einmal Kügelchen verschrieben?

Otto: Ja.

BZ: Und, haben sie gewirkt?

Otto: Ich war während meiner Jugend durchaus öfter auch für längere Zeit bei einem Homöopathen in Behandlung, ergänzend zu anderen Therapien. Ich hatte vielleicht aber auch das Glück, dass ich nie ernsthaft krank war. Ihre Frage ist insofern schwierig zu beantworten.

BZ: Warum sind Sie dann so eindeutig dagegen, dass homöopathische Arzneimittel von den Kassen erstattet werden?

Otto: Wir Grünen nehmen die Fridays for future-Bewegung ernst. Wenn wir sagen, dass wir beim Klimawandel auf die Wissenschaft hören müssen, können wir nicht an anderer Stelle sagen: Ja, aber das Gefühl zählt auch.

"Das Geld für etwas auszugeben, dessen Wirkung nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist, ist eine falsche Stellschraube im Solidarsystem. "

BZ: Sie kritisieren außerdem den Sonderstatus der Homöopathie.

Otto: Es geht uns dabei um Patientensicherheit. Die Zulassungsverfahren für Homöopathie sind stark vereinfacht – ohne, dass die Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen werden muss. Da wird mit – zwar sehr verdünnten – Wirkstoffen hantiert, bei deren Dosierung aber dennoch etwas schief gehen kann. Dafür gibt es keinerlei Kontrolle. Gleichzeitig sorgt die Apothekenpflicht für Homöopathie für eine gefühlte Statusgleichheit. Das heißt, man muss in die Apotheke, um sich das Medikament zu holen, dabei ist es gar keines.



BZ: Man könnte meinen, der Klischee-Grüne ist der Homöopathie eher noch zugetaner als der typische FDP-Wähler?

Otto: Ich glaube, die Offenheit für Homöopathie zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Ich beobachte allerdings, dass die Begeisterung dafür stark nachgelassen hat. Wir haben hier im Kreisverband Freiburg viele neue Mitglieder, zum Beispiel aus der Universität und den Fraunhofer-Instituten, die beruflich wie politisch sehr großen Wert auf Fakten und Empirie legen. Denen ist so ein Hokuspokus-Glaube sehr fern.

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BZ: Es fällt auf, dass sich viele Politiker und Mediziner bei dem Thema vornehm zurückhalten. Warum Ihre Partei nicht?

Otto: Auch in unserer Partei gibt es Menschen, die sich den Antrag so nicht gewünscht hätten. Es stellt sich aber die Frage: Ist der politische Streitwert hoch genug, um eventuell Wählerinnen und Wähler zu verlieren? Wenn wir sagen: Wir sind die Partei, die die Wissenschaft in allen Gebieten ernst nimmt, dann müssen wir uns auch hier ehrlich machen. Sonst werden wir in der Klimadebatte angreifbar, weil dann die FDP oder die CDU kommt und sagt: Ja, aber Ihr mit Eurer Homöopathie.

BZ: Also weg mit den Kügelchen?

Otto: Was man nicht außer Acht lassen darf, ist der in Studien nachgewiesene Placeboeffekt. Ob man dafür jetzt unbedingt Homöopathie braucht, sei dahingestellt. Wir sagen jedenfalls nicht, dass man die Homöopathie verbieten soll.
"Die Unterstützerinnenliste ist so lang wie noch nie bei einem Antrag."

BZ: Laut Gesundheitsminister Spahn geben die Kassen jährlich 20 Millionen Euro für die Erstattung homöopathischer Mittel aus. Bei einem Jahresetat von 40 Milliarden ist das sehr wenig.

Otto: Das ist deswegen auch nicht die Hauptstoßrichtung unseres Antrags. Trotzdem muss man sagen, dass viele Krankenkassen mit dieser freiwilligen Leistung werben. Und diese 20 Millionen Euro sind das Geld von Versicherten und aus öffentlichen Kassen. Das Geld für etwas auszugeben, dessen Wirkung nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist, ist eine falsche Stellschraube im Solidarsystem. Mit den 20 Millionen Euro könnte man deutlich Besseres machen.

BZ: Wagen Sie eine Prognose für Ihren Antrag?

Otto: Die Unterstützerinnenliste ist so lang wie noch nie bei einem Antrag. Allerdings sind das alles Basismitglieder, sehr wenige Funktionsträger. Das wird eine spannende Debatte. Ich gehe davon aus, dass der Antrag durchkommen wird, aber nicht 80:20, sondern 60:40.
Jan Otto, 27, arbeitet als Referent der Grünen-Landesvorsitzenden Sandra Detzer, Mitarbeiter der Gemeinderatsfraktion und Stadtrat in Freiburg.

Mehr zum Thema:

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 11. Oktober 2019: PDF-Version herunterladen

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