Retro-Soul

Fesselnd: Michael Kiwanuka beim Basler Open Air

Die Stimme von Michael Kiwanuka ist wie ein Reibeisen, über das zuvor ordentlich Karamell gegossen wurde. Bei seinem Auftritt in der Kaserne Basel kam der Londoner sanftmütig rüber.  

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Ruhig und sanftmütig: Michael Kiwanuka   | Foto: Robin Trachsel
Ruhig und sanftmütig: Michael Kiwanuka Foto: Robin Trachsel
Es ist schon eine kleine Tradition: Bevor der ganz große Headliner auf die Bühne des Open Air-Festivals der Kaserne Basel steigt, präsentieren die Veranstalter einen Sänger, der dem Retro-Soul- und -R&B zugeordnet werden kann. In der diesjährigen Ausgabe gastierte Michael Kiwanuka, der Shooting Star des Jahres 2012 in Großbritannien und unter seinen Kollegen derjenige, der am weitesten vom Soul in den Folk hineinstößt. Der Londoner aus einer ugandischen Einwandererfamilie kam über Hendrix und Dylan zur Gitarre und zum Songwriting, hangelte sich über Auftritte in Pubs und Sessiondienste für Rapper zu seiner eigenen Sprache. Sein Debütalbum "Home Again" zeichnet die Zurückhaltung aus, das Klangbild seiner Songs ist luftig, er gehört der Fraktion der Empfindsamen, nicht der Shouter an. Unter all den aktuellen Souljüngern gleicht Kiwanuka vielmehr einem Wiedergänger des versonnenen Terry Callier, die extrovertierte Schule à la Wilson Pickett ist nicht sein Ding. Kann das auf einer Open Air-Bühne tragen?

Die Ausgangsbedingungen sind nicht leicht an diesem Samstagabend. Nieselregen segnet den Innenhof der Kaserne, erst zaghaft sammeln sich die Zuhörer an der Bühne, als Kiwanuka sein Set beginnt. Er tut dies mit einem wesentlich zupackenderen Sound als auf Platte, die dortigen Feinheiten der Arrangements mit Geigen, Flöten, Bläsern werden live durch ein kräftiges, fast rockiges Quartett konterkariert. Die ersten Songs stammen wohl von seinem noch nicht veröffentlichten zweiten Werk, über das er noch nicht sprechen will. Sie sind eher einfach gestrickt, mit schrammeliger Rhythmusgitarre und robusten Drums des bärtigen Holzfällerhemd-Trägers Graham Godfrey. Sologitarrist Miles James, der einen verwegenen Afro trägt, spielt dazu Riffs mit einem Hauch von Countryfärbung.

Reibeisen, mit Karamell übergossen

Von Anfang an jedoch fesselt Kiwanukas Stimme: Ein Reibeisen, ja, aber eines, über das zuvor ordentlich Karamell gegossen wurde. Er setzt es effektvoll ein, lässt es in langen Haltetönen raspeln, steuert mit schmerzlicher Miene und schräggelegtem Kopf das Mikro an. Ein erster Höhepunkt "Bones": Er versieht die Nummer mit einem schlurfenden Groove, es könnte seine Lesart eines Doo-Wops sein, und er singt seinen Kummer aufrichtig und unprätentiös hinaus, wie in so vielen seiner Texte, die aus der Einsamkeit geboren sind: "Ohne dich bin ich nur ein Haufen Knochen." Doch die eigentlichen Perlen des Sets warten im ruhigen Mittelteil, als Kiwanuka zur Akustischen greift. Sein Paradestück "Tell Me A Tale" lebt vom Wechsel zwischen aufgekratzten Strophen und warmem Refrain, in dem er um Liebe fleht. Den simplen Akkordwechsel schmückt er mit feurigen Vokalimprovisationen aus.

Und es wird stetig inniger, gefühlvoller, stiller auf der Bühne: Zur Ballade "Worry Walks Beside Me" wagt ein Pärchen den Stehblues, in "Any Day Will Do Fine" gibt Godfrey eine Art Habanera-Rhythmus mit gedämpften Tomtoms und Rasseln vor. Saitenmeister Miles James, heimlicher Star des Abends, streut ganz delikat Glitzersteinchen in die Bandtextur, statt lang ausufernder Soli passgenaue, magische Leuchtstreifen.

Als es in "Rest", der fantastischen Besänftigungshymne sehr lieblich wird, hat Kiwanuka Mühe, gegen die Dauerschwätzer im Publikum anzukommen. Man würde Titel wie diese lieber in einem kleinen Club hören. Fürs Finale holt der Vierer wieder rockig aus, sprengt das Dreiminuten-Schema – das wirkt dann fast überdreht. Am meisten überzeugte Kiwanuka als Sanftmütiger mit kleinen Ecken und Kanten.

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