"Europa muss strategisch autonom werden"
Der Amtsantritt von Donald Trump ist nicht das Ende der Demokratie in den USA, hieß es bei einer Diskussion in Lörrach am Sonntag. Aber Europa müsse sich jetzt umso mehr auf eigene Werte und Stärken besinnen.
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Ralph Weber ist Professor am Europainstitut der Universität Basel und China-Experte. Auch er meinte, man habe von der Wahl nicht überrascht sein dürfen. Kamala Harris habe ihr anfängliches Momentum mit der Zeit verloren. Sabine Hake sagte, seit dem Ende des Kalten Krieges befinde sich Amerika in einer Dauerkrise. Das Narrativ, nach dem Ende des Kommunismus seien in einer globalen Weltordnung alle Sieger, verfange seit Anfang des Jahrhunderts nicht mehr. Die neoliberale Weltordnung sei vorbei.
"Wir erleben zurzeit einen Epochenumbruch", sagte Sabine Hake. Die Demokratie in den USA hält sie für resilient, aber es werde immer mehr Armut und immer mehr Reiche und Superreiche geben. "Wenn Deutschland nach Amerika schaut, sieht es seine Zukunft", sagte sie. Die Strategie von Leuten wie Trump sei es, so viel Skandale zu produzieren, dass alle hysterisch werden, und nebenbei ganz unbemerkt gesellschaftliche Institutionen zu zerstören.
China habe propagandistisch darauf hingewiesen, dass die Demokratie gefährdet sei. Mit Trumps Wahlsieg habe das aufgehört, sagte Ralph Weber. Dort warte man jetzt ab. Deutschland und Europa müsse aufpassen, jetzt nicht in einen Handelskrieg hineingezogen zu werden, sagte Jasmin Ateia, Kandidatin der Grünen für die Bundestagswahl am 23. Februar. Zur Not müsse Europa mehr in die eigene Sicherheit und Verteidigung investieren. Was Wirtschaft und Innovation angeht, sieht Hake die USA weiter fortgeschritten als Deutschland. Hier halte man immer noch industriell produzierte Gegenstände für das Wichtigste, während in den USA die bedeutendsten Unternehmen digitale Dienste anbieten. Es sei ein fataler Denkfehler zu glauben, mit der Produktion deutscher Autos sei man auf der Siegerseite.
Europa müsse strategisch autonom werden, um nicht zwischen USA und China zerrieben zu werden, sagte auch Weber. Doch oft seien es gerade die großen Staaten Deutschland und Frankreich, die sich quer legen. Dass in den USA mehr Innovation geschieht, sieht Ateia auch darin begründet, dass die fähigsten internationalen Köpfe dorthin gehen, während sie Deutschland für unattraktiv halten. Das habe auch mit dem gesellschaftlichen Klima zu tun: In Amerika werden Neues und Veränderung begrüßt, in Deutschland hat man erst mal Bedenken und sorgt sich um die Sicherheit. Aber auch bei Trumps Republikanern zeigen sich unvereinbare Gegensätze, sagte Hake. Die einen wollen das Land komplett abschotten, andere wie Elon Musk wollen ausländische Fachkräfte ins Land holen.
"Das Schlimmste, was die Amerikaner über Europa sagen, ist: Das ist das Museum der Welt", sagte Sabine Hake. Indessen seien außenpolitische Fragen für viele Amerikaner völlig irrelevant. Einen erheblichen Unterschied sieht sie in der Einstellung der Menschen. Amerikaner erwarten vom Staat nichts, Deutsche erwarten, dass der Staat für sie sorgt. "Das ist ein völlig anderes Gesellschaftsmodell", stellte sie fest. Deshalb ist es vielen Amerikanern gleichgültig, wer in Washington regiert. Je mehr Menschen das Gefühl haben, von der Politik nicht gehört und nicht vertreten zu werden, umso mehr werden populistische Parteien eine Zukunft haben, sagte sie. Mit dem Gefühl von immer mehr Menschen, die Eliten hätten alles an sich gerissen und sie selbst besäßen keine Rechte, müsse man sich auseinandersetzen.
Weber sagte, es gebe viele Akteure, die ein Interesse daran haben, dass die Demokratie in eine Krise gerät. Auch die Idee der Menschenrechte sei nicht mehr für jeden so viel wert. Er kritisierte vor diesem Hintergrund die Dominanz der Wirtschaft, die auf alle Lebensbereiche übergreife, und auf der anderen Seite die Sinnentleertheit von Politik. Sabine Hake vertrat die Ansicht, Europa brauche ein autonomes Modell, das nicht die Ökonomisierung des Lebens, zum Ziel hat, sondern auf eigene Werte und Lebensformen besteht. Nötig sei ein neues Denken darüber, was Fortschritt und Wachstum bedeuten sollen. Weber betonte, Europa müsse seine Werte glaubhafter darstellen und selbst leben, was in wirtschaftlichem Kontext oft nicht der Fall sei.