Integration
Eingliederung mit Tücken
Seit 2020 gilt ein neues Gesetz. Es soll Menschen mit Behinderung den Weg in den Alltag erleichtern. Bei der Umsetzung hakt es. Eine neue Beratungsstelle will das ändern.
Mi, 5. Jul 2023, 6:30 Uhr
Kreis Emmendingen
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In der Theorie haben die Rechte von Menschen mit Behinderung sich durch das BTHG verbessert. Leistungen werden nicht mehr pauschal definiert, sondern müssen von Fall zu Fall bewertet werden. Die Kosten dürfen dabei nicht ausschlaggebend sein. Der Mensch soll bekommen, was er braucht und nicht, was gerade im Angebot ist. Es gibt kein von der Stange mehr, nur maßgeschneidert.
In der Praxis werde das aber nicht umgesetzt, kritisiert Roland Rosenow. Der Sozialrechtler ist Experte für die Paragrafen zum BTHG. Und er ist einer von zwei Mitarbeitern der neuen Beratungsstelle "Recht so!". Gemeinsam mit Silke Funk berät er von Emmendingen aus seit Jahresbeginn Menschen aus ganz Baden-Württemberg, weil es keine zweite solche Beratungsstelle gibt. "Bisher hatten wir Anfragen aus zehn Landkreisen", sagt Funk. Ihre Kritik: Behörden würden weiter nach alten Mustern verordnen, Wohlfahrtsträger sich oft damit abfinden. Die Frage sei nicht, ob ein Behinderter Recht habe, die Frage sei: Wie setzt er sein Recht durch? Hier setzt "Recht so!" an.
Zwar gibt es in Baden-Württemberg mehrere "Ergänzende unabhängige Teilhabeberatungen". Diese EUTB unterstützen Antragssteller, wenn es um Leistungen aus dem BTHG geht. Das Problem: Lehnt eine Behörde den Antrag ab, darf die EUTB nicht weiter beraten. Dabei würden viele Anträge zu Unrecht abgelehnt, weiß Rosenow. Diese Lücke will "Recht so!" schließen. Das Geld für das auf drei Jahre angelegte Projekt kommt von der Aktion Mensch. Funk und Rosenow teilen sich gemeinsam weniger als eine Vollzeitstelle. Und sie bräuchten dringend weitere Experten im Netzwerk, etwa Rechtsanwälte. Wer sein gutes Recht will, müsse es durchsetzen, sagt Rosenow.
In Baden-Württemberg bekommen aktuell etwa 80.000 Menschen Leistungen zur Eingliederungshilfe. Das kann eine Schulbetreuung für ein behindertes Kind sein, eine häusliche Assistenz oder gar ein Platz in einer stationären Einrichtung. Im Landkreis Emmendingen waren es zuletzt 1249 Leistungsempfänger, in Freiburg 1972 und im Breisgau-Hochschwarzwald 1801. Etwa jeder Vierte wird in einer besonderen Wohnform betreut. Dass es nicht genügend Plätze gebe, dürfe keine Ausrede sein, sagt Rosenow. Zur Not kann man den Anspruch rechtlich durchsetzen. Schafft es der Träger – in diesem Fall der Stadt- oder Landkreis – nicht, das Angebot bereitzustellen, hat der Leistungsempfänger Anspruche auf Geldleistungen, die so hoch sind, dass er die benötigte Unterstützung selbst einkaufen könnte.
Ärgerlich sei, dass es zwar neue Gesetze gibt, diese aber zum Teil ignoriert oder umgedeutet würden. Die 44 Stadt- und Landkreise haben sich etwa auf eine neue Übergangsfrist verständigt, sie endet mit dem Jahr 2023. Das Problem: Das Gesetz sieht diese Übergangsfrist gar nicht vor. Doch auch hier gilt: wo kein Kläger, da kein Richter.
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