Eingemeindung

Wie Altdorf und Ettenheim kurz vor knapp doch noch zueinander fanden

Eine Liebe auf den letzten Blick: Vor 50 Jahren wurde die Gemeinde Altdorf durch die Gemeindereform der Stadt Ettenheim zugeordnet. Glücklich war man in dem Ortsteil zunächst nicht darüber.  

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Seit 50 Jahren eins: die Gemeinde Altdorf (links) und die Stadt Ettenheim  | Foto: Sandra Decoux-Kone
Seit 50 Jahren eins: die Gemeinde Altdorf (links) und die Stadt Ettenheim Foto: Sandra Decoux-Kone
Kreisreform und Gemeindereform beschäftigten Bürgerschaft, Kommunen und die politischen Gremien in den Jahren nach 1970 gewaltig. 20 Jahre zuvor, nach 1950, hatte man bereits die "Zwangsehe" zwischen Baden und Württemberg hinnehmen müssen. Und nun wartete die Landesregierung in den Jahren nach 1970 mit der nächsten Herausforderung auf, die die Menschen deutlich mehr bewegte. Die Anzahl der Landkreise war zu reduzieren. Der alte Landkreis Lahr hatte abzuwägen: mit dem südlichen Kreis Emmendingen zusammengehen? – oder aber mit dem Landkreis Offenburg im Norden? Das Ergebnis ist bekannt: seit 1973 gibt es den Ortenaukreis. Statt "LR" auf dem Autoschild, fortan "OG" (wobei man inzwischen wieder mehr und mehr "LR"-Autos auf den Straßen sieht).

Hautnah war für die Bürgerinnen und Bürger dann aber die Herausforderung der Gemeindereform. Durch die Landkreisreform und den deutlich erweiterten Aufgabenkatalog der Landratsämter sollten neu gestärkte Kommunen wesentliche Aufgabenbereiche übernehmen, die zuvor von den Landratsämtern zu managen waren.

Mindestens 5000 Einwohner sollten diese neuen Kommunen anfangs haben, schnell wurde diese Zahl vom Land auf 8000 erhöht. Wie sollte man nun diese politische Vorgabe im Süden des Ortenaukreises erfüllen?

Talgemeinden tun sich leichter

Ettenheim war da die größte Kommune; naheliegend also, dass sich die Rohanstadt als Zentrum für die südliche Ortenau anbot. Die Talgemeinden des "Ettenheimer Münstertals", also Münchweier, Ettenheimmünster und Wallburg verschlossen sich derartigen Initiativen nicht – zumal die Landesregierung solche Eingliederungsbereitschaft lukrativ mit D-Mark belohnte. Wallburg zählte bereits ab dem 1. Juli 1971 zu Ettenheim; Münchweier und Ettenheimmünster kamen ab dem 1. Dezember 1971 als Stadtteile hinzu. Sie sicherten sich damit auch, fast noch gravierender als die zugesagten Gelder, mit dieser Bereitschaft die Möglichkeit einer Ortschaftsverfassung mit Ortschaftsrat und Ortsvorsteher(in) nach Abschluss der Gemeindereform. Ettenheimweiler war als "Weiler" ja eh schon ein Teil Ettenheims.

Die Sichtweise der Ettenheimer "Stadtväter" aber war klar: So richtiges Gewicht würde die Rohanstadt schlussendlich erst recht erlangen, wenn man das nahe Altdorf gewinnt – hinsichtlich der Einwohnerzahl wie auch finanziell. Altdorf sah sich in diesen Zeiten zurecht als "reiche Gemeinde".

Altdorf wartet ab

Genau diese Punkte waren es dann wohl auch – wenn man die Zeitdokumente jener Zeit studiert – die Altdorf zu einer "abwartenden Haltung" bewogen, mehrfach verlautbart durch Altdorfs damaligen Bürgermeister Ernst Beck, später auch durch seinen Nachfolger Fritz Klasterer, wohl einmütig mitgetragen vom damaligen Altdorfer Gemeinderat. Nicht gerade förderlich waren da die geradezu "historischen" Vorbehalte beider Nachbargemeinden zueinander. Die gegenseitigen Bezeichnungen "Beisroler" (für die Altdorfer) und "Schawängler" (für die Ettenheimer) jedenfalls waren nicht besonders liebevoll gemeint, wenn sie es von ihrer Wortbedeutung her eigentlich auch verdient gehabt hätten. Und Vorgängergenerationen junger Ettenheimer Burschen wussten davon zu berichten, dass sie am Brünnelinsgraben "ibers Bängili hopse" mussten, wenn sie einer Altdorfer jungen Maid ihre Aufwartung machen wollten. Das neu erschienene Buch über "Altdorfer Geschichte(n)" zählt eine Vielzahl von Beispielen auf, in denen Altdorfs Vorbehalte gegenüber der südlich gelegenen großen Schwester zum Ausdruck kommen.

Kurzum: Zwei Mal erzwang man in Altdorf einen Bürgerentscheid, der über die politisch angestrebte Zwangsehe entscheiden sollte. Die Abstimmungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Beide Mal votierten die Altdorfer mit über achtzig Prozent für die Beibehaltung der Selbständigkeit. Ettenheims damaligem Bürgermeister Herbert König war das Wichtigste, Zank und Unfrieden zu vermeiden. "Lieber in Frieden nebeneinander leben als im Streit miteinander."

"Ja" im letzten Moment

Als dann aber recht bald absehbar war, dass die Landesregierung von solch toleranter Denkweise weit entfernt war, dass sie vielmehr gewillt war, gnadenlos an ihrer politischen Zielsetzung festzuhalten, erkannten die politischen Entscheidungsträger in Altdorf, dass sie sich wohl besser – wenn auch "schweren Herzens" und im "Bewusstsein der Verantwortung vor den nachfolgenden Generationen" der großpolitischen Wetterlage beugen sollten. Somit retteten sie sich, gleichsam im letzten Augenblick, Ortschaftsverfassung, Ortschaftsrat, Ortsvorsteher(in).

Als 1975 die landesweite Gemeindereform abgeschlossen wurde, zählte auch Altdorf zu Ettenheim. Und ausnahmslos bestätigen alle bisherigen Ortsvorsteher von Altdorf – ansatzweise schon Fritz Klasterer, erst recht Hans Hug, Michael Biehler, Andreas Kremer bis zur heutigen Ortsvorsteherin Manuela Steigert – eine konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe unter den Ortschaften, mit der Verwaltung in der Kernstadt, dem Gemeinderat. Und so feiert man mit der gesamten Rohanstadt im Sommer dieses Jahres das 50-jährige Bestehen der Gesamtstadt als Ergebnis der baden-württembergischen Gemeindereform.

Und ganz sicher wird man bei der bevorstehenden Fasent in Altdorf allerorten die selbstbewusste Liebeserklärung hören: "Altdorf, Altdorf, du hast’s mir angetan". Und das ist auch gut so.
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