Ein weiblicher Obama an der Staatsspitze
IM PROFIL: Die Umweltaktivistin Zuzana Caputova beginnt ihre Präsidentschaft in der Slowakei mit viel Rückenwind aus zwei Siegen.
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"Es gibt Risse zwischen Stadt und Land, reichen und armen Regionen, jungen und älteren Menschen", sagt Caputova und fügt hinzu: "Wir haben aufgehört, uns zu vertrauen." Niemand in der Slowakei glaube noch daran, dass Politiker mit guter Absicht handeln oder Polizisten und Richter das gleiche Recht für alle durchsetzen wollen. "Wir alle haben Erfahrungen mit der Arroganz der Macht. Viele erleben es täglich in Büros, bei Gerichten und in Krankenhäusern. Wir haben uns daran gewöhnt, als ob es normal wäre. Es ist aber nicht normal."
Es sind klare Sätze wie diese, die Caputova in der Slowakei schlagartig zur Hoffnungsträgerin gemacht haben. Noch wenige Monate vor der Präsidentenwahl im März kannte kaum jemand im Land die 45-Jährige, die in der kleinen Karpatenstadt Pezinok als Anwältin arbeitete und als Umweltaktivistin für die Erhaltung der Wälder kämpfte. 2017 hatte Caputova zwar die linksliberale Splitterpartei "Progressive Slowakei" (PS) mit gegründet und sich als Politikerin etabliert. Doch ohne den Mord an dem Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten im Februar 2018 und die folgenden Massenproteste, an denen Caputova in vorderer Front teilnahm, hätte sie es kaum ins Präsidentenamt geschafft.
Wie sehr der Mord an Kuciak, der im Mafiamilieu recherchiert und auch nach Verbindungen in die Politik geforscht hatte, die Slowakei in Aufruhr versetzt hat, belegt nicht nur der Rücktritt des langjährigen Regierungschefs Robert Fico. Bis zu diesem Zeitpunkt galt Ficos linkspopulistische Partei Smer als übermächtig und bei Wahlen unschlagbar. Doch damit ist es vorbei. Bei der Europawahl im Mai stürzte die Smer auf 15,7 Prozent ab. Caputovas PS wurde aus dem Stand mit gut 20 Prozent stärkste Kraft. Der Soziologe Michal Vasecka hält sogar einen völligen Niedergang der Smer für möglich, da nun "die jungen Proeuropäer begonnen haben abzustimmen".
Die Wahlbeteiligung ist in der Slowakei traditionell niedrig. Auch Caputova vereinigte im März bei rund 4,5 Millionen Wahlberechtigten nur rund eine Million Stimmen auf sich. Ein größeres Hindernis für ihre Pläne, die Gesellschaft zu einen, dürften jedoch die begrenzten, zumeist repräsentativen Befugnisse eines Staatsoberhauptes in der Slowakei sein. Die Richtlinien der Politik bestimmt in Bratislava die Regierung. Doch Caputova schreckt das nicht ab. "Wo ich nicht zuständig bin, werde ich Fehlverhalten klar benennen", verspricht sie.
Das Ergebnis der Europawahl kann als Indiz gelten, dass ihr die Menschen in dem strukturkonservativen Land vertrauen. Das ist umso erstaunlicher, als vor allem rechtspopulistische und auch katholische Kreise versucht haben, die Mutter zweier Töchter persönlich zu diskreditieren, die seit ihrer Scheidung vor einem Jahr mit dem Künstler Peter Konecny zusammenlebt. Kirchenvertreter warnten im Wahlkampf, Caputova habe ein zu positives Verhältnis zur Homo-Ehe.
Aber die Präsidentin hat sich gegen alle Widerstände durchgesetzt, was sie selbst am wenigsten zu wundern scheint. "Ich habe mein ganzes Berufsleben der Gerechtigkeit gewidmet und weiß sehr gut, was es heißt, den Mächtigen zu widerstehen", sagt sie und verweist auf das "große Glück", das sie in ihrem Leben gehabt habe. Das sind Sätze voller Demut, die sie in einen auffälligen Widerspruch zu vielen aktiven Politikern rücken.
So wird das Nachbarland Tschechien von Präsident Milos Zeman und Premier Andrej Babis geführt, die beide als "Trumpisten" gelten. Tatsächlich ist die neue slowakische Präsidentin so etwas wie ein Gegenentwurf zu diesem Politikertypus. Manche Beobachter erinnert Caputova eher an den jungen Barack Obama, der seine politische Laufbahn als Bürgerrechtsanwalt in Chicago begann.
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