Berlin
Sexueller Missbrauch – ein verheimlichtes Kapitel des Sports
Die Dunkelziffer bei sexuellem Missbrauch im Breiten- und Leistungssport scheint hoch zu sein. Vertreter aus Sport und Politik fordern jetzt mehr Prävention – und Hilfe für Betroffene.
dpa
Mi, 14. Okt 2020, 11:28 Uhr
Sportpolitik
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Die Kommission will Betroffenen die Möglichkeit geben, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Rund 100 Menschen seien einem entsprechenden Aufruf seit 2019 gefolgt. Die Berichte der Betroffenen seien zwar nicht repräsentativ, sagte Andresen. Sie bildeten aber die ganze Bandbreite vom Breitensport bis zum Spitzensport ab. "Wir müssen von einer hohen Dunkelziffer ausgehen."
Bei der Veranstaltung am Dienstag schilderten Betroffene ihre Missbrauchserfahrungen. Eine von ihnen: die Kampfsportlerin Maria Dinkel. Mit elf Jahren war sie in eine Judo-Leistungsgruppe gekommen. Der Trainer habe sie und andere Mädchen missbraucht, während er mit ihnen trainierte. "Wenn der Mann uns beim Training am Boden festhielt, konnten wir nichts mehr machen", schilderte eine Erzählerin Dinkels Geschichte während diese per Video aus der Schweiz zugeschaltet war. Erst habe er sie außen an der Hose angefasst, dann in der Hose. Jeden Samstag sei das passiert, über drei Monate lang. Irgendwann erzählte es Dinkel ihren Eltern. Der Coach wurde aus dem Club geworfen, kam aber ohne Strafe davon. Mit 18 Jahren holte sie ihre Vergangenheit wieder ein, als sie erfuhr, der Mann arbeite noch immer als Judo-Trainer. Eine posttraumatische Belastungsstörung mit depressiven Episoden und dissoziativen Zuständen war die Folge.
Dinkel – heute selbst Trainerin. engagiert sich, um andere vor dem zu bewahren, was ihr widerfahren sei. Die 24-Jährige fordert etwa Anlaufstellen für Jungen und Mädchen in den Vereinen zum Thema sexueller Missbrauch.
Bundesjugendministerin Franziska Giffey (SPD) bedauerte in einer Videobotschaft, dass Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Trainern und Trainierenden Gewalt begünstigten. "Es geht um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das wir gemeinsam angehen müssen", sagte sie.
Die Bundesregierung hatte die Expertenkommission 2016 eingesetzt, um Missbrauch in verschiedenen Bereichen aufzuarbeiten, etwa in der Familie, in Institutionen, im sozialen Umfeld und auch in Sportvereinen. Kern der Untersuchungen sind Anhörungen und Berichte von heute erwachsenen Betroffenen.
In vielen Fällen können die Täter indes nicht mehr belangt werden, weil sie nicht mehr ausfindig gemacht werden können oder weil Taten verjährt sind. Im vergangenen Jahr wurden in der Kriminalstatistik 13 670 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern erfasst – das sind nur die angezeigten, also bekanntgewordenen Fälle. Die Dunkelziffer ist nach Einschätzung von Experten viel größer.
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