Ein Partygag und die Folgen

Ursula Poznanski legt mit "Shelter" einen spannenden Thriller über eine gefakte Verschwörung vor.  

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Gute Thriller erzeugen gern heimelige Atmosphäre, bevor sie die Leserschaft in den Abgrund stürzen. Als Meisterin des Suspense bettet uns Ursula Poznanski in ihrem neuen Roman zunächst soft in ein beschwipstes Fünf-Freunde-Studi-WG-Ambiente, lässt dann wie beiläufig eine Frage auftauchen, und schon hängen wir an ihrem Haken. Konkret lautet die Initialfrage in "Shelter": Gibt es eine Verschwörungstheorie, die so bescheuert ist, dass sie nicht doch über kurz oder lang ein paar glühende Gläubige um sich schart, sobald sie einmal in die Welt gesetzt ist?

Eine Frage, für die sich vor allem die Psychologiestudentin Liv erwärmen kann. Besonders, nachdem ihr Mitbewohner, der Medizinstudent Nando zum Geburtstag einen Freund eingeladen hatte, der mit seiner neuen Freundin total ins Chemtrail-Lager abgedriftet ist. Während Liv sich echauffiert, kommt dem dritten WGler und angehenden Schauspielschüler Benny eine in bierselig-genialer Partylaune einleuchtende Idee: Warum nicht eine völlig abwegige Verschwörung für den Dunstkreis des nervigen Aluhut-Pärchens konstruieren, und sie damit blamieren, wie leichtgläubig sie sind? Liv springt sofort darauf an. Nicht zuletzt deshalb, weil sie in fünf Wochen ein Thema für ihre Bachelorarbeit präsentieren muss. "Alternative Wirklichkeiten. Psychologische Profile überzeugter Verschwörungstheoretiker" wäre doch ein super Titel für eine Psychostudie.

Zusammen mit der Kunststudentin Darya und dem Juristen Till fangen die drei WGler an, begeistert drauflos zu spinnen. Kurz gegoogelt, welche drei Dinge es für eine coole Verschwörung braucht – nichts ist Zufall, nichts ist, wie es scheint, alles ist miteinander verbunden. Ein paar Bier später ist die Story fertiggestrickt: Freundliche Aliens, denen es auf der Erde etwas zu kalt ist, übernehmen menschliche Körper, die dafür bereit sind, um mit ihrer Hilfe die Erderwärmung voranzutreiben. Für Menschen, die übernommen wurden, wird der Hashtag #shelter angelegt. Darunter können Betroffenen von ihren Erfahrungen nach der Übernahme berichten. In nächtlichen Aktionen wird das Logo des Geheimbundes überall in der Stadt gesprayt, ein Kreis mit angesetztem Halbkreis, in den sozialen Medien als "Oc" verbreitet. Vorbild war eine Papierserviette mit Weinglasspuren.

Die Fake-Verschwörung wird ein Volltreffer, immer mehr gehen dem halbernsten Partygag auf den Leim. Und während die fünf FreundInnen noch grübeln, wie sich ein Gegner für die Shelter konstruieren ließe, um der Verschwörung den letzten Schliff zu geben, taucht in den sozialen Medien ein Octavio auf und beginnt, die Aktion zu kapern. Spätestens ab da wird es unheimlich. Gab es in der Gruppe schon zuvor Zweifel, ob man so viele Menschen mutwillig in die Irre leiten dürfe, läuft nun alles aus dem Ruder. Denn der mysteriöse Octavio, der sich nicht zufällig mit "Oc" schreibt, beginnt vermeintliche Wunder zu wirken. Zu "CO" vertauschte Zeichen werden gesprüht. Kurze Zeit später stehen die Shelter im Endkampf gegen die "Captors", die böse Variante der Aliens. Und dann geraten die Partyverschwörer so richtig zwischen die Fronten. Die Bedrohung steigt, eine Person verschwindet. Lässt sich der Geist von Fakenews wieder einfangen, wenn er einmal aus der Flasche gelassen wurde?

Ein kluges, atemberaubendes Antidot für alle, die Weihnachten Langeweile befürchten.

Ursula Poznanski: Shelter. Roman. Loewe Verlag, Bindlach 2021. 432 Seiten. 19,95 Euro. Ab 14.
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