Wildtiere
Ein Auswilderungsgehege in Karlsruhe soll Luchse auf die Freiheit vorbereiten
Das Leben in der Wildnis ist hart – auch für Luchse. Um ihr Überleben wahrscheinlicher zu machen, werden im Zoo Karlsruhe geborene Tiere ausgewildert. Der Mensch soll sich möglichst raushalten.
Susanne Kupke
Sa, 11. Jan 2025, 11:30 Uhr
Südwest
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Ast- und Blätterhaufen, umgestürzte Bäume und viel Platz zum Toben: Die vorübergehende Bleibe hat alles, was ein junger Luchs braucht. Auf rund 5.000 Quadratmetern entsteht derzeit im Karlsruher Oberwald ein Auswilderungsgehege, wie es das bislang nur einmal in Ostdeutschland gibt. Noch wird gebaut, doch schon im Frühjahr sollen die ersten in Zoos geborenen Luchse einziehen. Von Karlsruhe aus könnten sie künftig europaweit ausgewildert werden. Das soll die Population der in Mitteleuropa selten gewordenen Karpatenluchse sichern.
Das Gehege liegt inmitten eines beliebten Karlsruher Naherholungsgebietes, dem Tierpark Oberwald. Doch es ist gut versteckt. Ein äußerer Zaun hält Menschen mindestens 50 Meter auf Abstand. Im Innern soll ein drei Meter hoher Elektrozaun verhindern, dass die Luchse ausbüxen. Auch Pfleger bekommen die Tiere kaum zu Gesicht; sie arbeiten hinter einem Sichtschutz am Gehege. Die scheuen Wildtiere sollen möglichst ungestört aufwachsen. "Sie müssen scheu sein", erläutert Marco Roller, der zuständige Tierarzt beim Karlsruher Zoo. Sonst klappt es mit der Auswilderung nicht.
Ein Luchs-Leben, fast wie in freier Wildbahn
Bis zu acht Jungtiere gleichzeitig könnten im neuen Gehege das Leben fast wie in freier Wildbahn erproben. Jagen können sie dort allerdings nicht. Das Tierschutzgesetz verbietet die Fütterung mit lebenden Tieren. Die für die Auswilderung vorgesehenen Luchse bekommen jedoch ganze Tierkörper. Dafür gibt es eine Kooperation mit Jägern; sie liefern etwa Rehe an, die bei Wildunfällen auf Straßen gestorben sind. "Es ist wichtig, dass sie lernen, wie man einen Tierkörper aufbricht", sagt Veterinär Roller. Das Jagen selbst müssen die Luchse nicht lernen. "Sie haben einen Instinkt für die Jagd."
Luchse sind hierzulande in der Natur sehr selten. Deshalb werden "Reservepopulationen" in Zoos gezüchtet. Voraussetzung ist, dass die Luchse nicht an Menschen gewöhnt, robust und gesundheitlich topfit sind. "Die Natur ist brutal. Nur die stärksten überleben", sagt Tierarzt Roller. Aus dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm der Zoovereinigung EAZA wurden zwölf Einrichtungen ausgewählt, die Luchse für mögliche Auswilderungen in Europa züchten dürfen.
Weil in der Natur die Sterblichkeit von Jungtieren hoch ist, werden die Jungtiere erst ausgewildert, wenn sie selbstständig und völlig gesund sind. Dafür gibt es einige tierärztliche Untersuchungen. So werden der Allgemeinzustand des Tiers aber auch Gelenke, Gebiss und Krallen geprüft. Zudem werden die Luchse gegen Krankheiten wie Katzenschnupfen oder das Leukosevirus geimpft, das das Immunsystem schwächen kann.
Bei der Luchsdame Finja hat die Auswilderung nicht geklappt
Dass auch die beste Vorbereitung für draußen keine Überlebensgarantie ist, zeigt das Beispiel von Finja, das erste in Baden-Württemberg ausgewilderte Luchsweibchen. Anfang Dezember 2023 im Nordschwarzwald in die Natur entlassen, war Finja im Juli 2024 in einem so schlechten Zustand gefunden worden, dass sie eingeschläfert werden musste. Sie hatte sich mit der für diese Tiere sehr seltenen Infektionskrankheit Staupe infiziert. Veterinär Roller geht davon aus, dass sie sich bei einem Fuchs angesteckt hat, den sie gerissen hat. Gegen Staupe kann man Luchse nicht impfen.
Als größte wild lebende europäische Katzenart war der Luchs vor mehr als 200 Jahren in Europa weit verbreitet. Doch er wurde vom Menschen verfolgt, weil er als Nahrungskonkurrent galt. Schwindende Lebensräume mit weniger Baumbestand gaben dem mitteleuropäischen Karpatenluchs den Rest.
Derzeit streifen nach Wissen der Experten nur zwei wilde männliche Luchse und der Mitte Dezember ausgesetzte Kuder (männliche Katze) Reinhold durch den Schwarzwald – dazu kommt die im November ausgesetzte Luchsdame Verena. Sie wurde im thüringischen Hütscheroda, Reinhold in einem sogenannten Koordinationsgehege an das Leben in Freiheit gewöhnt.
Das Karlsruher Gehege, das für 350.000 Euro im Oberwald entsteht, ist das bundesweit zweite Gehege dieser Art. Ziel ist es, von hier aus Luchse europaweit auszuwildern und sie wieder dauerhaft anzusiedeln. Auch im Schwarzwald.
Das Luchsprojekt Baden-Württemberg fördert die Auswilderung im Rahmen des Luchsprojektes. Geplant ist, bis zum Jahr 2027 bis zu zehn vorrangig weibliche Luchse auszuwildern, um mit den vorhandenen männlichen Luchsen das Vorkommen im Land zu sichern und zu erweitern. Im Schweizer Jura, im Pfälzer Wald und in den Vogesen sind Projekte zur Wiederansiedlung nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums bereits erfolgreich gewesen. Tiere aus diesen Gebieten sollen sich perspektivisch mit dem Vorkommen im Schwarzwald verbinden.
Der Zoo Karlsruhe als Kooperationspartner
Der Karlsruher Zoo baut das Koordinationsgehege im Oberwald und betreut es mit seinen Tierpflegern. Er hat zudem die veterinärmedizinische Betreuung des Projektes übernommen, das von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg koordiniert und vom WWF, dem Landesjagdverband sowie der Luchsinitiative unterstützt wird. Im Zoo sind vor gut einem halben Jahr zwei männliche Luchse geboren. Fast ganz wild: Nur zufällig entdeckte man durch Kameraaufnahmen den Nachwuchs im naturnahen Gehege des Zoos. Die Eltern hatten ihren Nachwuchs über Wochen von neugierigen Blicken ferngehalten. Seit eine Kamera die Neuankömmlinge verriet, ist das Gehege nicht mehr für Besucher zugänglich.
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