Eben Kumpel, jetzt Terrorist
Gut recherchiert: Benno Köpfers und Peter Methews Roman über die Radikalisierung Jugendlicher.
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Wie wurde aus Marks Fußballkumpel Kadir Ölmez jemand, der droht, sich in die Luft zu sprengen? Kadir ist Deutschtürke der zweiten Generation, der Vater noch in der Zentraltürkei geboren. In einer Hamburger Hochhaussiedlung wächst er im durchaus üblichen Spannungsverhältnis der Kulturmischung auf. Draußen ist Deutschland und zu Hause läuft ununterbrochen türkisches Fernsehen, die Mutter ist immer zuhause und spricht nur gebrochen Deutsch. Als talentiertem Fußballer stehen Kadir gewisse Türen zu einem gelungenen eigenen Lebensentwurf offen. Aber er muss damit zurechtkommen, dass der Vater Deutschland nur als Zwischenlösung betrachtet und ihn, wenn schon als Fußballer, dann für Fenerbahce Istanbul auflaufen sieht.
Dann kommt einiges zusammen. Kadir geht nach der neunten Klasse von der Schule ab, jobbt für den Onkel, schließlich verschwindet der Vater, und Kadir lässt seine Mannschaft vor einem wichtigen Spiel im Stich. "Kadir? Der ist Dschihad, du Kafir", erfährt Mark von einem gemeinsamen Kumpel.
Wie Köpfer und Mathews nun Kadirs Weg in die Radikalisierung bis zum IS-Ausbildungslager in Syrien nachzeichnen ist nicht zuletzt deshalb eine lohnende Lektüre, weil sie auf profunden Kenntnissen beruht. Köpfer hat unter anderem in Freiburg Islamwissenschaften studiert und arbeitet als Analyst beim Verfassungsschutz an der Bekämpfung des islamistischen Terrors. In dieser Eigenschaft hat er sich viel mit Eltern unterhalten, deren Söhne sich für den IS begeistern. Der Weg vom ersten Kontakt zu radikalen Gruppen – im Umfeld einer Moschee oder online – bis hin zum Alltag unter dem IS-Terror- regime in Syrien wirkt glaubwürdig recherchiert.
Erzählerisch hat das Buch Stärken, je weiter es in Kulturschichten eindringt, die einem nichtmigrantischen Lesepublikum verborgen bleiben. Die Anziehungskraft von Online-Rekrutierung, die Art der Gesprächsführung in einem Ausbildungscamp wird nachvollziehbar geschildert. Auch wie Frauen genutzt werden, um durch sexistisch-machistische Aufladung die emotionale Bindungen an den selbstmörderischen Opferkult zu stärken. Ein salafistisches Glossar gibt Hilfestellungen und wirkt wie eine Einladung, dieses Buch zur Schullektüre zu adeln.
Von der Sache her ginge das durchaus in Ordnung. Zwar gewinnt die pädagogische Distanz bisweilen die Oberhand und lässt sowohl manche Pseudojugendslangdialoge als auch die eine oder andere Sozialarbeiterfigur ins allzu Holzschnitthafte erstarren. Aber insgesamt weiß das Buch zu fesseln und lässt über literarische Holprigkeiten unfallfrei hinweglesen, zumal es von der ganzen Anlage her eher für Gemeinschaftskunde als für den Deutschunterricht konzipiert ist.
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