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Die Stabilisatoren des Stromnetzes

Sebastian Barthmes
  • Fr, 05. Juli 2024
    St. Blasien

     

Der Schluchsee ist der größte Energiespeicher des Landes. Innerhalb weniger Minuten kann mit seinem Wasser viel Strom erzeugt werden – oder aber elektrische Energie dem Netz entzogen werden.

Das Kraftwerk Häusern kann innerhalb weniger Minuten Strom erzeugen oder dem Netz entziehen. Foto: Schluchseewerk AG
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Wenn im Südwesten oder irgendwo in Deutschland schnell zusätzliche Energie benötigt wird oder das Stromnetz stabilisiert werden muss, sind das Kraftwerk Häusern und die gesamte Schluchseegruppe der Schluchseewerk AG gefragt: Innerhalb von Minuten können sie Strom erzeugen oder aber dem Netz entziehen.

"Es gibt kein größeres Energiereservoir als den Schluchsee", sagt Unternehmenspressesprecher Peter Steinbeck. Und bei steigender Volatilität, also bei größeren Schwankungen, durch die Stromerzeugung mit Hilfe der Sonne und des Windes, nehme die Bedeutung des Pumpspeichers für die Netzstabilität weiter zu.

"Der Schluchsee hat die Besonderheit, dass er mit großem, großem Abstand der größte Speicher ist", sagt Steinbeck. Er könne viel länger Energie liefern, als andere, kleine Speicher. Die Energiewende mache immer mehr solche flexiblen Kraftwerke nötig. Das Schluchseewerk ist kein selbstständiger Akteur auf dem Strommarkt. Denn in jedem Kraftwerk des Unternehmens befinden sich jeweils zwei Generatoren und Pumpen, die den Energiekonzernen EnBW und RWE gehören – sie sind gleichzeitig direkt und indirekt die Aktionäre der Schluchseewerk AG. Die Aufträge, Strom zu erzeugen oder aber Strom dem Netz zu entziehen, indem Wasser in den Schluchsee und die anderen Speicher gepumpt wird, kommt jeweils von den beiden Partnern, erläutert Steinbeck. Die Aufgabe, die vom Schluchseewerk zu erfüllen sei, "ist eine ganz sensible Angelegenheit". Dabei gehe es nicht nur um die Stabilisierung des Stromnetzes und das Abdecken der Stromspitzen. Ist ein Stromnetz einmal zusammengebrochen, brauche man den Schluchsee, um es wieder aufzubauen. Das werde auch immer wieder geübt.

Von EnBW und RWE kommen die Steuersignale zur Stromerzeugung oder zum Pumpen. Innerhalb weniger Minuten werden dann entweder die Pumpen gestartet, das Wasser beispielsweise vom Rhein über die Zwischenstufen Witznau und Häusern in den Schluchsee befördern. Oder aber das Wasser stürzt vom Schluchsee ins Kraftwerk Häusern oder vom dortigen Speicherbecken weiter nach Witznau oder bis zum Rhein.

Es handle sich um ein komplexes Wasserhaltungsregime, das dafür sorge, dass unter anderem das Schwarzabecken in Häusern weder zu stark aufgestaut noch zu tief abgelassen wird. Die drei Kraftwerke der Schluchseegruppe, Häusern, Witznau und Waldshut, seien zudem unabhängig voneinander. Das Schluchseewerk melde ständig an die Partner, wie viel Wasser zur Verfügung steht.

Neben den Notwendigkeiten des Strommarktes hat das Unternehmen gleichzeitig auch die Vorgaben der Behörden im Blick, denn weder darf dem Rhein zu viel Wasser entzogen noch dem Schluchsee als wichtigem Naherholungsgebiet zu viel Wasser zugeführt werden.

Die vorausschauende Planung sei immer schon wichtig gewesen, sagt Steinbeck, doch sie werde angesichts des Klimawandels noch bedeutender. Denn weil es auch in den Alpen weniger schneit, führt auch der Rhein im Frühjahr weniger Wasser. Auch die Speisung aus der Feldbergregion habe sich verändert.

Früher, so Steinbeck, sei es übersichtlicher gewesen: Tagsüber wurde Strom benötigt, also liefen in den Pumpspeicherkraftwerken die Turbinen. Und nachts wurde gepumpt, um den größten Akku Deutschlands, den Schluchsee, wieder zu füllen. In der neuen Welt, in der die erneuerbaren Energiequellen immer wichtiger werden, werde täglich bis zu 50 Mal zwischen der Stromerzeugung und dem Pumpen gewechselt. Die Folge sei eine erheblich größere Abnutzung der Maschinen. Der Aufwand, die Kraftwerke am Laufen zu halten, sei stark gestiegen.

Die Pumpspeicher seien die schnelle Eingreiftruppe, beschreibt Steinbeck deren Funktion. Man müsse die Anlagen gut pflegen und optimieren. Deshalb denke das Schluchseewerk auch über einen Ergänzungsbau für neue Turbinen im Kraftwerk Häusern nach, um es für die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten. "Diese alte Technologie ist moderner denn je – sauber und schnell. Wir leisten schon seit 100 Jahren einen Beitrag, dass das Klima nicht geschädigt wird."

Ressort: St. Blasien

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