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Die das Unvereinbare vereint

Die Hamburger Rapperin Haiyti verbindet Rap mit Kitsch und bringt damit das Freiburger Jazzhaus zum Ausrasten.  

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Von roher Anziehungskraft: Haiyti in Freiburg   | Foto: Fabio Smitka
Von roher Anziehungskraft: Haiyti in Freiburg Foto: Fabio Smitka
Noch vor einigen Jahren waren Gangster-Rap und Pop Gegensätze. Kein Straßenrapper wäre auf die Idee gekommen, schnulzige und vom Auto-Tune-Effekt digital verkitschte Refrains zwischen die aggressiven Verse über Gewalt und Drogen zu packen. Vom Mainstream wollte man sich ja abgrenzen. Das Leben als gefühlter Outlaw verdinglichte sich in den Songs. Street Credibility, die Nähe zur Straße mit Verbrechen und Gewalt, war ein hohes Gut. Zumindest sollte die Musik so klingen, auch wenn die Person hinter dem Gangster-Rapper gerade BWL studierte.

Das jetzt zusammenkommt, was eigentlich nicht zusammengehört, das ist unter anderem der Verdienst der Hamburgerin Ronja Zschoche, die unter ihrem Alias Haiyti am Samstag im Freiburger Jazzhaus spielte. Mit ihrer Kunst hat sie dem versteiften Gangster-Rap einen Gefallen getan. Auch wenn sie in der Szene zum Teil auf Unverständnis stößt. Unverständnis ist zumeist die ersten Reaktion auf die Musik von Haiyti. Was einem da durch die Boxen entgegenschlägt, ist alles andere als leicht verdaulich. Harte, schleppende Bässe paaren sich mit nervös zuckenden Hi-Hats und einfachen Synthie-Melodien zu einem Sound-Teppich, der als Trap bezeichnet wird. Eine Trap ist eigentlich ein baufälliges Haus, das als Drogenküche herhalten muss. Damit ist ein Thema der Musik auch schon gesetzt: Drogen.

Haiyti zelebriert den Rausch, kennt aber genauso gut dessen Abgründe. Außerdem geht es um die Straße, Gewalt – und dann kommt der Kitsch hinzu: um Liebe. Mit schriller Stimme schreit Haiyti der versammelten Menge ihre Texte entgegen, peitscht sie auf, so dass sich vor der Bühne fast bei jedem Song eine tobende Menschentraube bildet. Statt steifem Herumstehen und kritischem Beäugen, wie es früher auf Hip-Hop-Shows Usus war, wird wild gepogt. Die Refrains dagegen kontrastieren das Gangster-Gehabe: Mit völlig überladenem Pathos singt Haiyti in "Homezone": "Du bist meine Homezone / Du bist mein Zuhause / Ohne dich so alone / Du bist da, wenn ich dich brauche". Haiyti ist bekannt dafür, ihre Texte aus einem Gefühl heraus in wenigen Minuten assoziativ zu schreiben. Darum mag ihnen die Tiefe fehlen. Dafür sind sie unverstellt und von roher Anziehungskraft. Während man beim ersten Hören noch den Kopf schüttelt, summt man beim zweiten Mal bereits mit, und beim fünften Durchlauf ist der Wurm im Ohr.

Ins Jazzhaus sind wenige Hip-Hop-Heads der alten Schule gekommen. Das Publikum ist gemischter, Studierende, Leute aus der Techno-Szene, Brillenträger und Trainingsjacken-Hipster. Bös dreinblickende Gangster gibt es keine. Die Kluft zwischen der Lebenswelt des Publikums und dem, was Haiyti in ihren Texten zelebriert, könnte nicht größer sein. Warum sie trotzdem kommen? Weil Haiyti ein Gefühl trifft, das irgendwo zwischen Egomanie und Weltschmerz liegt: "Ich setz' mich hin, hau das Geld auf den Tisch / Ich bestell', was ich will, ich will alles und nichts", rappt sie im Jazzhaus. Und die Menge schreit mit.

Ressort: Rock & Pop

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 22. Oktober 2018: PDF-Version herunterladen

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