Haariger Wettbewerb
Die Bart-EM in Schluchsee: Gezwirbelt, gefönt, gesprayt
Haarspray und Stärkecreme sind ihre ständigen Begleiter: Bei der Bart-Europameisterschaft traten in Schluchsee 130 Konkurrenten gegeneinander an – für sie ein knallharter Wettbewerb.
So, 9. Nov 2014, 19:53 Uhr
Südwest
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Der Duft von Haarspray liegt in der Luft: schwer und süßlich wie in einem viel zu kleinen Friseursalon. Überdimensionale Spiegel stehen in jeder Ecke des kleinen Nebenraums des Kurhauses. Auf dem Tisch liegt ein Föhn, eine kleine Bürste. Fast könnte man sich auf einem Modelshooting vermuten, wenn – ja wenn nicht plötzlich Friedrich der Große durch die Tür käme. Offiziersrock, Dreispitz auf dem Kopf, dahinter ein Musketier. Auch Kardinal Richelieu ist im Anmarsch, steuert wie die anderen zielgerichtet den Spiegel an und beginnt sogleich seinen Bart kritisch zu begutachten. Ist alles sauber und symmetrisch geschnitten? Sitzt die Form noch?
Der Musketier zieht derweil seinen drapierten Schnäuzer in Form. Bald hat er seinen Auftritt. Er wird mit einigen anderen auf der Bühne des Kurhauses stehen, an der siebenköpfigen Jury mit ihren kritischen Blicken entlanggehen und sich ihrem Urteil unterwerfen. Note zehn ist das Maximum. Nicht viele kriegen eine so gute Bewertung.
"Wir achten darauf, dass alles sauber ausrasiert ist, dass die Form stimmt", sagt Myrta Ritter. Die Friseurmeisterin sitzt bereits zum zweiten Mal in der Jury einer Bart-Meisterschaft. Sie weiß, worauf es ankommt. Insgesamt 18 Kategorien werden an diesem Samstag bewertet. Sie haben Namen wie Schnauzer naturale, Vollbart Verdi oder Backenbart kaiserlich.
Was sich für Außenstehende komisch anhört, ist für die 130 Teilnehmer echte Hochleistung. "Teilweise haben die Stunden gebraucht, um ihre Bärte in Form zu bringen", sagt Ritter. Es kommt nur auf den Bart an; Kleidung, Stil, nettes Gesicht können seine Wirkung unterstützen, fließen aber nicht in die Bewertung ein.
Also kein Kostümball? "Oh Gott, schreiben Sie das bloß nicht. Da wären einige tödlich beleidigt", sagt Ritter. Für die Teilnehmer sei die Bart-EM eine ernste Angelegenheit. Aus Belgien, Österreich, Dänemark sind Bartträger nach Schluchsee gekommen, die meisten aber aus Deutschland, einem Zentrum der Bartbewegung. Seit 1992 gibt es den Verband deutscher Bartclubs. Er legt fest vor, welche Hilfsmittel erlaubt sind: Haarwachs, Gel, Haarspray sind in Ordnung, eine grelle Haarfarbe oder Schminke nicht.
Conchita Wurst hätte keine Chance auf Teilnahme. Denn trotz aller Kuriosität und auffälliger Verkleidung sind Bartmeisterschaften eher konservative Veranstaltungen. Sie haben viel mit Brauchtum zu tun, mit Tradition. Der Auftritt der Trachtentanzgruppe aus Schluchsee und der Alphornbläser aus der Schweiz sagen mehr über den Charakter des Events aus als der feine Seidenbrokat beim Alten Fritz. Die meisten Bartträger kleiden sich entsprechend zünftig: Lederhosen, Filzhüte, Gamsbärte.
"In den USA ist das alles viel rockiger. Dort sieht man auch viel mehr Tätowierungen und Piercings", sagt Casey Deen. Dort sei man Teil einer Subkultur, die sich um Abgrenzung bemühe. Der promovierte Astrophysiker aus Texas, der seit drei Jahren an der Universität Heidelberg arbeitet, hat an mehreren Bartmeisterschaften hüben wie drüben teilgenommen. "In Deutschland ist die Bartbewegung deutlich braver."
Fritz Booz sieht das genauso. "Wir sind ein uriges und traditionsbewusstes Volk", sagt lachend der Vorsitzende des Bartvereins Groß-Schluchsee, der die Europameisterschaften organisiert hat. Mit der Hipster-Bewegung, die den Vollbart seit einigen Jahren wieder als modisch angesagt erklärt, habe man nichts zu tun. Es gehe um Brauchtum und um gewaltlosen Wettstreit unter Männern. Statt sich im Boxring die Nase einzuschlagen, zwirbele man hier eben die Gesichtshaare nach oben. Mit viel Aufwand, wie Booz betont. "Schauen Sie ich die Bärte mal an. Da sind echte Kunstwerke dabei."
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