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Heute vor 75 Jahren

Die Badische Zeitung war nach dem Zweiten Weltkrieg die erste Tageszeitung in Lahr

Heute vor 75 Jahren erschien die erste Ausgabe der Badischen Zeitung. Es war die erste Zeitung für den Lahrer Raum nach dem Zweiten Weltkrieg.  

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Anzeigen in der ersten Ausgabe Foto: BZ
Kurz vor Weihnachten 1945, ein gutes halbes Jahr nach Kriegsende, schrieb der Lahrer Hauptlehrer Emil Baader einen eigenartigen Satz in seine Stadtchronik: "Heute ist uns Tübingen nah und Heidelberg-Mannheim ferngerückt." Er knüpfte daran Spekulationen über ein neues "alemannisch-schwäbisches" Zusammenwachsen, die sich, wie wir heute wissen, so nicht bewahrheiteten.
Heute das besondere Geburtstagsangebot: Die E-Paper-Ausgabe der Badischen Zeitung ist heute gratis abrufbar. Außerdem gibt es die Erstausgabe vom 1. Februar 1946 als PDF.

Was aber hatte ihn zu seinen Überlegungen geführt? Es war die schlichte Tatsache, dass man in Lahr das Schwäbische Tagblatt bekommen konnte, aber keine eigene südbadische Zeitung mit Nachrichten aus Lahr. Das war nicht nur für die traditionsreiche Druckerstadt eine ungewöhnliche Situation, sondern auch für den weltoffenen und wissbegierigen Chronisten. Wie war es dazu gekommen?

Lahr besaß ein reges Pressewesen

Lahr hatte seit dem späten 18. Jahrhundert ein eigenes und reges Pressewesen besessen. Zunächst waren es das Lahrer Wochenblatt, seit 1868 zusätzlich der Lahrer Anzeiger, die die Lahrer über Lahr und die Welt informierten. Neben diesen beiden Zeitungen gab es immer mal wieder und oft nur für kurze Zeit andere Presseorgane, die mit den beiden Leitmedien eine Eigenschaft teilten: Sie waren an ein bestimmtes parteipolitisches Milieu gebunden. Das Lahrer Wochenblatt, aus dem später die Lahrer Zeitung wurde, war die Zeitung des protestantischen und liberalen Bürgertums in Stadt und Landkreis Lahr.

Der Lahrer Anzeiger dagegen bediente die Katholiken und unterschied dabei nicht besonders zwischen Bürgern und Arbeitern. Die klassenbewussten Arbeiter dagegen, also Sozialdemokraten, lasen den Volksfreund aus Offenburg/Karlsruhe, Konservative wiederum mussten meistens auf überregionale Blätter ausweichen. Im Grunde galt dies auch noch für die 1920er-Jahre, in der nun der Nationalsozialismus in das Lahrer Pressewesen einbrach.
Lahrer Anzeiger und Badische Zeitung

Der 1935 verbotene Lahrer Anzeiger erschien erstmals wieder am 4. November 1949 in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Freiburger Tagespost, seit dem 1. April 1950 in einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Mittelbadischen Zeitungsverlag Bühl. Seit dem 1. Oktober 1955 wurde der Lahrer Anzeiger im Verlag der Badischen Neuesten Nachrichten herausgegeben. Zum 1. Oktober 1957 übernahm der Badische Verlag in Freiburg die Verlagsrechte und machte den Lahrer Anzeiger zur Bezirksausgabe der Badischen Zeitung. Hier wurde die Zeitung auch gedruckt, doch geschahen Satz und Umbruch weiterhin durch die Lahrer Anzeiger GmbH mit Sitz in Lahr. Die Zusammenarbeit zwischen dem Badischen Verlag und der Lahrer Anzeiger GmbH wurde Ende 1996 eingestellt, womit der Name Lahrer Anzeiger endgültig aus dem Titel verschwand.

Ab 1931 hatte die Lahrer NSDAP eine eigene Zeitung, das Grüselhorn. Doch handelte es sich mehr um billig vervielfältigte und wenig umfangreiche Flugblätter als um ein wirklich leistungsfähiges Pressemedium. Nach der Machtergreifung im Frühjahr 1933 stand die Partei in Lahr deshalb vor der Frage, wo sie eine eigene, nationalsozialistische Zeitung herbekommen sollte. Doch stand ein Kandidat bereits in den Startlöchern. Die Lahrer Zeitung hatte bereits im Herbst 1932 eine bemerkenswerte Stellungnahme veröffentlicht. Auf Vorwürfe, dass das ehemals bürgerlich-liberale Blatt neuerdings so undistanziert über die NS-Bewegung berichte, schrieb die Redaktion, dass man nun in der NSDAP "die wesentlichsten Quellen neuer politischer Willensbildung" wie auch die "Heimstätte vieler alter liberaler Wähler" sehe.

Schleichend war aus dem liberalen Traditionsblatt aus dem Hause Schauenburg eine NS-Zeitung im Wartestand geworden. Diese Haltung wurde ein Jahr später belohnt: Stolz nannte sich die Zeitung im Untertitel nun "Alleinige als nationalsozialistisch anerkannte im Bezirk gedruckte Zeitung". Was bei der Lahrer Zeitung eine Mischung aus politischer Konversion und Selbstgleichschaltung war, war bei zahlreichen anderen Zeitungen in der Regel ein Ergebnis der notwendigen Anpassung an die neuen Zeiten. Gelegentlich gelang das nicht: Der Lahrer Anzeiger, vor 1933 sehr kritisch und distanziert zur NS-Bewegung, wurde 1935 wegen seiner Nähe zum Katholizismus (und vielleicht auch, um einen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen) verboten.

Siegermächte verbieten die Tageszeitungen

Dasselbe allerdings taten die Siegermächte 1945 mit allen noch bestehenden Zeitungen. In Lahr war dies eine Gemeinschaftsausgabe des Führers mit der Lahrer Zeitung, die im April 1945 zum letzten Mal erschien. Danach standen die Druckerpressen still. Um der Bevölkerung die notwendigen Anweisungen geben zu können, druckte die französische Besatzungsmacht lediglich ein regelmäßiges Informationsblatt, das aber nur offizielle Verlautbarungen enthielt.

Woher aber erhielten die Lahrerinnen und Lahrer nun die politischen Informationen zur Zeit, also etwa über die Nürnberger Prozesse oder die ersten Parteigründungen? Über neue, von den Besatzungsmächten lizensierte Zeitungen, die deshalb "Lizenzpresse" hießen. Diese neuen Zeitungen durften keine Herausgeber oder Redakteure benennen, die mit dem Nationalsozialismus verbunden waren. Eine eigene Zeitung in Lahr fiel deshalb aus, wobei zumindest bezüglich des Lahrer Anzeigers bis heute unklar ist, weshalb er keine Lizenz beantragte. Stattdessen las man nun die Frankfurter Rundschau, die Süddeutsche Zeitung, das Badener Tagblatt oder den Südkurier.

Die Badische Zeitung erhielt 1946 die Lizenz

Nach und nach wurden immer mehr Zeitungen lizensiert, Lahrer Lokalnachrichten allerdings fand man nirgends.

Bis zum 1. Februar 1946. In Freiburg erhielt die Badische Zeitung eine Lizenz und druckte auch Nachrichten aus Lahr. Emil Baader hatte sich indes anscheinend schon daran gewöhnt, zahlreiche überregionale Nachrichten zu beziehen. Er registrierte zwar das Erscheinen der Badischen Zeitung, kommentierte es aber nicht weiter. Die Lahrerinnen und Lahrer aber konnten ab jetzt – zumindest zweimal in der Woche – wieder regelmäßig in der Zeitung lesen, was in ihrem Städtchen so passierte. In der ersten Nachkriegsausgabe erfuhren sie so, dass in der Obststraße die "Lahrer Nothilfe" aufgemacht hat. Hier konnte man billig gebrauchte Kleidung und Haushaltsgegenstände bekommen sowie eine günstige warme Mahlzeit. Wichtig für die ersten Leser war auch, dass mit Störungen in der Gasversorgung zu rechnen war und es nur zu bestimmten Stunden geliefert wird.

Die Kleinanzeigen der Zeitung verweisen auf die Improvisationsnöte der Zeit. Getauscht werden Tapeten gegen Damenhalbschuhe, Schreibmaschinen gegen Bekleidung, Brennholz gegen ein Fahrrad. Manchmal lässt sich die spezifische Not nur ahnen: "Dringend" wurde der "Leitfaden von Prof. Schmell für Botanik und Zoologie" gesucht, gegen einen "zeitgemäßen Tausch".

Ein Opernsänger weilt in der Stadt

Die größte Rubrik umfasste den "Suchdienst". Zahlreiche Soldaten waren noch immer vermisst und die Angehörigen ohne Nachricht. Die verzweifelten Ehefrauen oder Eltern suchten besonders in den Reihen der schon heimgekehrten Kameraden nach Informationen über den Verbleib: "Welcher Heimkehrer aus Stalingrad kann Auskunft geben über OGefr. Fritz Hug? Letzte Nachricht vom 24.12.1942. Für jede Mitteilung wäre dankbar Bernhard Hug, Gartenbaubetrieb, Lahr, Moltkestr. 54". Und ein bekannter Name weilte in der Stadt. Der Opern- und Kammersänger Heinrich Schlusnus, einer der Großen seiner Zeit, gab ein Konzert mit Liedern von Beethoven, Schubert, Schumann und Hugo Wolf.

Als 1949 die Bundesrepublik Deutschland ihre Souveränität erlangte, endete die Zeit der "Lizenzpresse". Und so erschienen fast gleichzeitig mit der Gründung der Republik zwei neue Zeitungen in Lahr: Lahrer Zeitung und Lahrer Anzeiger. Die überregionalen Zeitungen wurden nun rasch wieder verdrängt und schon in den frühen 1959er-Jahren erinnerte in den Lahrer Zeitungen nichts mehr an die merkwürdige "Zwischenzeit", in der Emil Baader schrieb: "Zeitungen sind geschätzt, weil sie rar sind."

Thorsten Mietzner (57) lebt seit 25 Jahren in der Region. 2002 wurde er als Stadthistoriker bei der Stadt Lahr eingestellt. Nach dem Wechsel von Gabriele Bohnert in die Leitung des neuen Stadtmuseums übernahm er zusätzlich deren Aufgaben im Stadtarchiv. Seit Ende 2019 widmet er sich nach der Einstellung von Elise Voerkel als neuer Stadthistorikerin nur noch dieser Aufgabe.

Ressort: Lahr

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 01. Februar 2021: PDF-Version herunterladen

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