Der Papst auf dem Plauderstuhl
Franziskus ist zu Gast in einer italienischen Fernsehshow – und verurteilt den Klerikalismus.
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Italiens Fernsehpublikum erlebte am Sonntagabend Mediengeschichte; das erste Mal hat ein Papst an einer Fernsehtalkshow teilgenommen. Johannes Paul II. rief zwar einmal per Telefon in einer Live-Sendung an, Franziskus ließ sich auch mal zuschalten. Aber ein ganzer, stundenlanger Auftritt in einer Talk-Show? Das gab es bislang nicht.
Die zuweilen peinlichen Huldigungen von Moderator Fabio Fazio ("Heiliger Vater, diesen ihren Gedanken werden wir für immer erinnern") ließ der 85-jährige Pontifex routiniert über sich ergehen. Franziskus nutzte das Geplauder für eine Kurzfassung seines Magisteriums, seiner Ausbildung. Er wiederholte seinen Appell für einen menschenfreundlichen Umgang mit Migranten. Das Mittelmeer sei angesichts der vielen gesunkenen Flüchtlingsboote "der größte Friedhof Europas". Er forderte Solidarität unter den EU-Staaten. "Jedes Land muss sagen, wie viele Migranten es aufnehmen kann." Franziskus verurteilte angesichts der Spannungen im Ukraine-Konflikt den Krieg. Krieg sei ein "Widersinn der Schöpfung".
Der Papst sprach sich für einen sorgsamen Umgang mit der Umwelt aus. Zur Entwaldung Amazoniens sagte er: "Wir wissen, was das bedeutet: weniger Sauerstoff, Klimawandel, den Tod der Biodiversität, es bedeutet, Mutter Erde zu zerstören." Plastik ins Meer zu werfen sei kriminell, fügte er hinzu. Über den Mechanismus, der sich hinter der Gleichgültigkeit auch benachteiligten Menschen gegenüber verberge, sagte er: "Ich sehe, aber lasse mich nicht berühren." Die Menschen müssten die Misere mit ihren Händen berühren. "Das bringt uns zum Heldentum."
Wer sich derzeit mit der katholischen Kirche in Deutschland beschäftigt, den musste das Interview jedoch verwundern. Franziskus verlor kein Wort zum Missbrauchsskandal, er wurde auch nicht danach gefragt. "Das größte Übel der Kirche ist die geistliche Mondänität", sagte der Papst nur. Dies führe zu "Klerikalismus", der Überhöhung der Geistlichen über Laien. "Der Klerikalismus ist die Perversion der Kirche", sagte er. Auch die Themen des synodalen Weges, Segnung für Homosexuelle, Abschaffung des Pflichtzölibats, die Rolle der Frau in der Kirche, fanden in dem Gespräch nicht statt. In Italien stehen diese Themen nicht im Fokus.
Zum Schluss gab Franziskus noch Privates preis. Auf seinen Besuch in einem römischen Plattenladen angesprochen sagte er, er möge klassische Musik und Tango. Als Kind habe er Metzger werden wollen, weil der in seiner Heimat immer viel Geld in den Geldbeutel gesteckt habe. "Ich brauche Freunde", gestand der Papst. Auch deshalb sei er nicht in den Apostolischen Palast gezogen, sondern wohne im Gästehaus. Er habe "wenige, aber gute" Freunde.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ