WLAN für alle

Der Anbieter muss nicht mehr haften

Nach einer jahrelangen Debatte ebnet die Große Koalition endlich den Weg für den freien Internetzugang in der Öffentlichkeit.  

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In Ländern wie Israel, Spanien oder Großbritannien sind offene WLAN-Hotspots an vielen öffentlichen Orten die Regel – Millionen Menschen nutzen sie, um mit Smartphone oder Laptop ins Internet zu gehen. Deutschland hinkt seit Jahren im internationalen Vergleich hinterher. Ein Grund dafür ist die im Telemediengesetz definierte Störerhaftung. Sie führt dazu, dass private Betreiber von Hotspots – privaten, aber auch solchen in Restaurants oder Bars – für Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten haften, die Nutzer ihres drahtlosen Netzanschlusses begehen. Das kann der Gast in der Kneipe sein oder der Nachbar, der das Internet mitnutzt und Filme illegal herunterlädt. Um nicht in diese Falle zu tappen, boten bisher viele Cafés und andere Hotspot-Betreiber den Zugang nur mit einem Passwort verschlüsselt an und wiesen auf Vorschaltseiten auf die bestehende Rechtslage hin.

Die Störerhaftung war der Anlass für zahlreiche Abmahnungen von Netzanbietern. Ein Fall ging bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Ein Gewerbetreibender hatte sich gegen Haftungsansprüche des Musikriesen Sony gewehrt. In seinem Geschäft für Licht- und Tontechnik stellt er öffentlich zugängliches WLAN bereit. 2010 wurde über dieses Netz ein Musikstück anderen Nutzern rechtswidrig zum Download angeboten, für das Sony die Rechte hat.

Das zuständige Landgericht München legte den Fall dem EuGH vor. Im März trug in dem Verfahren der Generalanwalt ein Gutachten vor. Er kam zu dem Schluss, dass Anbieter eines WLAN in Bars oder Hotels nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn ihre Kunden illegal Dateien herunterladen.

Dieses Gutachten – dem der EuGH in seinem Urteil wohl folgen wird – brachte Bewegung in die politische Diskussion in Berlin. Der Streit über die Störerhaftung hatte schon mehrere Jahre gedauert, die Netzpolitiker lagen mit den Innenpolitikern im Streit, die Sicherheitsbedenken äußerten. Das Gutachten habe der Debatte eine neue Richtung gegeben, sagt CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek. Sein Kollege Lars Klingbeil von der SPD berichtet, im Gegensatz zu früher seien nun die Chancen des offenen WLAN nach vorne gestellt worden (siehe Interview).

Nach langem Ringen einigte sich die Regierungskoalition darauf, die Störerhaftung im Telemediengesetz abzuschaffen. "Der Weg für mehr freies WLAN ist endlich frei" twitterte der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Mittwochvormittag. "Die Abschaffung der Störerhaftung ist ein überfälliger und wichtiger Schritt." Die neue Regelung soll nach der Verabschiedung im Bundestag bereits zum Herbst in Kraft treten.
Touristenziele wie Freiburg brauchen offenes WLAN
Demnach sollen künftig auch private oder nebengewerbliche Anbieter wie Restaurantbesitzer wie Internetprovider behandelt werden. Diese profitieren bisher vom so genannten Haftungsprivileg, nach dem sie nicht für das Surfverhalten Dritter verantwortlich gemacht werden können. Künftig ist also keine Vorschaltseite oder Zugangsverschlüsselung mit Passwort mehr nötig. Hotspot-Betreiber sollen künftig nur noch verpflichtet sein, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn ein systematischer Missbrauch vorliegt.

Die Vorschriften zum Schutz der Musik- und Filmindustrie werden aus dem Telemediengesetz ausgeklammert. Stattdessen sollen nun auf europäischer Ebene Anstrengungen unternommen werden, um illegale Download-Portale finanziell trockenzulegen und beispielsweise Werbebanner dort zu untersagen.

Die Entscheidung der Großen Koalition wurde am Mittwoch breit begrüßt. Der Digitalverband Bitkom erklärte, die Neuregelung schaffe die Grundlage für einen schnellen Ausbau öffentlich verfügbarer WLAN-Netze. Oliver Süme vom Verband der Internetwirtschaft (eco) begrüßte die "überaus gute Nachricht", denn jahrelang sei Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern "eine echte Hotspot-Wüste" gewesen. Das Aus der unsäglichen Störerhaftung sei längst überfällig, erklärte auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga).

Bernd Dallmann, Geschäftsführer der "Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe", sagte, Deutschland begänne jetzt, im Internetzeitalter anzukommen. Für eine Stadt wie Freiburg sei offenes WLAN sehr wichtig: "Wir stehen im internationalen Wettbewerb um Touristen." Daher sei es wichtig, Gästen etwa den Zugriff auf den öffentlichen Nahverkehr, auf Veranstaltungshinweise oder auf das Fahrradverleihsystem zu bieten, das bald in Freiburg installiert wird.

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