Studie
Der Amazonas-Regenwald erholt sich nicht mehr
Große Teile im Amazonas können sich nach Bränden oder Dürren nicht mehr so gut regenerieren wie gewohnt. Dennoch forciert Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro weiterhin die Abholzung.
dpa
Di, 8. Mär 2022, 20:30 Uhr
Panorama
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Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Mitarbeiter von der britischen Universität Exeter hatten hoch aufgelöste Satellitendaten zur Veränderung der Biomasse und der Produktivität im Amazonaswald statistisch analysiert. Sie führen die nachlassende Widerstandsfähigkeit auf den Stress durch Abholzung und Brandrodungen zurück, der Einfluss des Klimawandels sei bisher nicht eindeutig feststellbar.
"Eine verringerte Resilienz – die Fähigkeit, sich von Störungen wie Dürren oder Bränden zu erholen – kann ein erhöhtes Risiko für das Absterben des Amazonas-Regenwaldes bedeuten", sagt Boers. Dies sei besorgniserregend.
Die aktuelle Analyse bestätige, dass eine starke Begrenzung der Abholzung, aber auch eine Begrenzung der globalen Treibhausgasemissionen notwendig sei, um den Amazonas zu schützen, sagt Tim Lenton, Direktor des Global Systems Institute in Exeter. Besonders gefährdet für den Verlust der Widerstandsfähigkeit sind den Forschern zufolge trockene Gebiete. Auch Gebiete in der Nähe von Siedlungen seien besonders bedroht.
Der Amazonas-Regenwald speichert erhebliche Mengen an Kohlenstoff und besitzt eine Schlüsselrolle für das Weltklima und die Artenvielfalt. Er gilt als eines der sogenannten Kippelemente, die das Klima auf der Welt aus dem Gleichgewicht bringen können. Forscher warnen davor, dass sich beim Überschreiten eines Kipppunktes ein Großteil des Amazonasgebiets in eine Savanne verwandeln könne. "Wann ein solcher möglicher Übergang stattfinden könnte, können wir nicht sagen", sagt Boers. "Wenn er dann zu beobachten ist, wäre es wahrscheinlich zu spät, ihn aufzuhalten."
Schätzungen zufolge könnte für das Erreichen des Kipppunktes ein Verlust von 20 bis 25 Prozent der Walddecke im Amazonasbecken ausreichen. Riesige Wüsten könnten eine Folge sein – und die weltweite Zunahme von Dürren und Überschwemmungen. Der verstorbene US-Wissenschaftler Thomas Lovejoy und der brasilianische Forscher Carlos Nobre hatten ermittelt, dass bereits 17 Prozent der ursprünglichen Waldfläche verschwunden sind.
In weiten Teilen Brasiliens herrschten im vergangenen Jahr Wassermangel und Trockenheit, was auch dem Klimawandel und den Abholzungen zugeschrieben wird. Der Anteil des Landes am Amazonasgebiet entspricht flächenmäßig der Größe Westeuropas. Ihm wird daher eine entscheidende Rolle beim Klimaschutz zugeschrieben.
Der rechte Präsident Jair Bolsonaro sieht im Amazonasgebiet vor allem ungenutztes wirtschaftliches Potenzial und will noch mehr Flächen für Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung erschließen. So erließ er etwa ein Dekret zur Förderung des Goldabbaus im Amazonasgebiet. Die Ausbeutung indigener Gebiete zum Abbau von Kalium für Düngemittel rechtfertigte er jüngst mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und einer damit angeblich drohenden Verknappung und Verteuerung von Kalium. Die Abholzung im Amazonasgebiet legte während der Amtszeit Bolsonaros, der Ende Oktober 2018 zum Präsidenten gewählt wurde und sein Amt Anfang 2019 antrat, kräftig zu und lag zuletzt auf Rekordniveau.
Bolsonaros Politik treibe den Amazonas-Regenwald "geradewegs in den Kipppunkt", teilte Roberto Maldonado, Brasilien-Referent der Umweltorganisation WWF, mit. Bis zum Ende seiner Amtszeit im Oktober wolle Bolsonaro weiter Waldzerstörung für die Produktion von Futtermittelsoja und Rindfleisch legalisieren und indigene Territorien durch Bergbau in Mondlandschaften verwandeln. Als Abnehmer der Produkte stünden viele europäische Länder, darunter Deutschland, in der Verantwortung.
Laut Greenpeace-Expertin Gesche Jürgens trägt der Fleischimport und das Füttern der Nutztiere in Europa mit Futtersoja aus dem Amazonasgebiet erheblich zur Zerstörung des Waldes bei. "Die EU und Deutschland können und müssen daher Verantwortung für den Schutz des Amazonas-Waldes übernehmen." Sie fordert etwa eine EU-Gesetzgebung für weltweiten Waldschutz, die "auch wirklich den Markt verändert". Nur so könne sichergestellt werden, "dass nicht weiterhin im großen Stil Produkte auf dem EU-Binnenmarkt landen, die mit Waldzerstörung in Verbindung stehen." Dazu zählten etwa auch Kautschuk und Mais. Unternehmen sollten laut WWF ihre Lieferketten auf Entwaldungsfreiheit umstellen. "Produkte, die mit der Entwaldung, Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht werden, gehören nicht ins Supermarktregal", sagt WWF-Experte Maldonado.
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