Account/Login

NS-Pogrome

Bundeskanzler Scholz fordert: "Aufstehen gegen Hass"

Jüdisches Leben in Deutschland hat sich verändert nach dem Terrorangriff der Hamas. Zum 85. Jahrestag der Pogromnacht gibt der Kanzler ein Versprechen ab. Auch Kretschmann will den Kampf gegen Judenhass verstärken.  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
1/2
Leise und ernst: der Kanzler in der Synagoge Beth Zion in Berlin Foto: John Macdougall (dpa)
Die Brunnenstraße ist am Donnerstag komplett abgeriegelt, gesichert mit gepanzerten Fahrzeugen und Scharfschützen der Polizei. Wer zur Synagoge Beth Zion in Berlin-Mitte vordringt, kann erahnen, wie sich jüdische Deutsche derzeit fühlen. "Schutz ist gut und gerade jetzt wichtig", sagt der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wenig später in der Synagoge, die vor einigen Wochen Ziel eines versuchten Brandanschlags war. "Aber wir wollen keine Schutzschilder. Wir wollen frei leben in Deutschland, in unserem Land."

"Wir dulden Antisemitismus nicht, nirgendwo." Olaf Scholz
Es war das zentrale Gedenken an die Pogrome der Nationalsozialisten vom 9. November 1938 gegen Synagogen, jüdische Läden und Wohnungen, gegen jüdische Menschen – eine Gewaltwelle, die wenige Jahre später in die Vernichtung von sechs Millionen Juden in Europa mündete. 85 Jahre später bemüht sich der Staat sichtbar um den Schutz jüdischen Lebens. Und doch fühlen sich viele Jüdinnen und Juden an ein düsteres Damals erinnert. Viele leben wieder in Angst.

Bundeskanzler Olaf Scholz gab bei der Gedenkfeier ein weitreichendes Versprechen: "Wir dulden Antisemitismus nicht, nirgendwo", sagte der Kanzler. "Mich empört und beschämt das zutiefst", so Scholz in seiner ernst und leise vorgetragenen Rede.

Ähnlich hatten sich Politikerinnen und Politiker zuvor schon in einer Debatte des Bundestags geäußert. Und ähnlich würden es wohl auch alle mittragen, die sich in der kleinen Synagoge drängten – der Bundespräsident, Bundestags- und Bundesratspräsidentin, Parteivorsitzende, Ministerinnen und Minister. "Nie wieder", das ist in der deutschen Politik seit Jahrzehnten ein Mantra.

Die Zahl antisemitischer Vorfälle schoss in die Höhe

Trotzdem gelang es propalästinensischen Demonstranten auf deutschen Straßen, den Terrorangriff von Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober zu feiern. Trotzdem schoss die Zahl antisemitischer Vorfälle seither in die Höhe. "Wer verstehen will, warum der Terroranschlag auf Israel in der jüdischen Gemeinschaft auch in Deutschland tiefe Traumata, Ängste und Verunsicherungen hervorruft", sagte Zentralratspräsident Schuster, "der muss sich bewusst sein, was auch 85 Jahre nach der Reichspogromnacht in den jüdischen Seelen vorgeht, wenn wieder Davidsterne an Häuser von Juden gemalt werden, wenn wieder jüdische Geschäfte attackiert werden".

Schuster verwies auf "eine Parallele in der Geisteshaltung" bei radikalen Islamisten und Rechtsextremen und geißelte auch die Verachtung für Lehren aus der Geschichte, die er bei linksextremen und linken Kreisen spüre. Hinter vorgehaltener Hand sei Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen. Es sei etwas aus den Fugen geraten, sagte Schuster. Das könne zwar repariert werden. "Doch dafür muss man sich auch eingestehen, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist, was man nicht hat sehen können oder wollen."
Gedenken an Pogromnacht in Freiburg: Die Splitter in den Herzen bleiben

Der Wille ist da, das versicherte Kanzler Scholz eindringlich. Es komme nicht darauf an, ob Antisemitismus politisch oder religiös motiviert sei, ob er von links oder rechts komme, ob er hier gewachsen sei oder von außen ins Land getragen werde. "Jede Form von Antisemitismus vergiftet unsere Gesellschaft", sagte der SPD-Politiker.

Scholz drohte zudem Migranten mit Ausweisung, wenn sie sich antisemitisch verhalten. Eine erleichterte Ausweisung stößt in der Realität aber oft an Grenzen. Es muss immer zwischen dem Bleibe-Interesse des Betroffenen und dem Ausweisungsinteresse des Staates abgewogen werden. Manche Täter können schlicht nicht abgeschoben werden, beispielsweise wenn im Herkunftsland Folter droht.

Nötig sei, dass "wir aufstehen gegen Hass", sagte der Kanzler. "Deutschland gründet darauf, dass wir unteilbar zusammenstehen, dass Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens selbstverständlich dazugehören, dass wir Terror und Hass gemeinsam die Stirn bieten", sagte der Kanzler. "Nie wieder – das gilt, das lösen wir ein. Heute, morgen und für alle Zeit."

Wachsender Antisemitismus auch im Stuttgarter Landtag diskutiert

Über den wachsenden Antisemitismus diskutierte am Donnerstag auch der Stuttgarter Landtag. Dabei kündigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann an, den Antisemitismusbeauftragten der Landesregierung, Michael Blume, besser auszustatten. "Wir wollen dafür sorgen, dass der Antisemitismusbeauftragte seine Arbeit in Zukunft noch weiter intensivieren kann", sagte der Grünen-Politiker. Das Land profitiere sehr von Blumes Arbeit. "Gerade jetzt, in dieser dramatischen Lage", sagte der Ministerpräsident.

Absperrungen und schwerbewaffnete Polizisten vor Synagogen, vor jüdischen Schulen und Kindergärten – diese Bilder gibt es an diesem 9. November auch in Baden-Württemberg. Das Land habe seine Sicherheitsmaßnahmen erhöht, sagte Kretschmann.

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 10. November 2023: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel