Pro & Contra
Bringt der Kauf-nix-Tag uns weiter?
Wachstumskritiker rufen am Samstag zum Kauf-nix-Tag auf. Ist der Protest gegen den Kaufrausch sinnvoll? Ein Pro & Contra von Tanja Tricarico und Wolfgang Mulke.
Tanja Tricarico, Wolfgang Mulke & dpa
Fr, 27. Nov 2015, 20:09 Uhr
Wirtschaft
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Der schnelle Kaffee zum Mitnehmen beim Bäcker, die Hose aus dem Kaufhaus im Sonderangebot, der Glühwein am Abend auf dem Weihnachtsmarkt: Wer den Kauf-nix-Tag unterstützen möchte, sollte auf all das am Samstag verzichten. Aus Protest gegen den Kaufrausch soll der letzte Samstag im November alljährlich eine kleine Auszeit vom Shopping-Wahn bringen. Allerdings ist der seit 1997 in Deutschland begangene Aktionstag nur wenigen bekannt. Beim Kauf-nix-Tag geht es Wachstumskritikern um die symbolische Bedeutung. Es müsse Aufmerksamkeit dafür geweckt werden, "dass wir brutal über unseren Verhältnisse leben, vor allem ökologisch", sagt der Umweltökonom Niko Paech.
In den USA hingegen frönten am Freitag Millionen Amerikaner ihrer Einkaufslust. Mit einem Ansturm auf die Kaufhäuser haben die Verbraucher in den USA das traditionelle Black-Friday-Wochenende eröffnet. In einigen Fällen kam es sogar zu Prügeleien um die Schnäppchen, Menschen rissen sich gegenseitig die Ware aus den Händen. Das Wochenende ist bekannt für seine Preisnachlässe. Kaum eine Einzelhandelskette kann es sich leisten, sich aus dem Rabattwettbewerb herauszuhalten.
Auch die Deutschen wollen in diesem Jahr zur Weihnachtszeit wieder kräftig shoppen, rund 274 Euro planen sie laut Umfragen der GFK-Konsumforscher für Geschenke ein. Das sind zwar elf Euro weniger als im Vorjahr, allerdings spendeten die Menschen in diesem Jahr deutlich mehr.
Einfach mal nichts einkaufen. Für einen einzigen Tag. Eine Shopping-Pause im Trubel des vorweihnachtlichen Konsumterrors. Was für eine gute Idee in diesen hektischen Zeiten, in denen Eltern schief angeschaut werden, wenn sie die Verwandtschaft bitten, nur ein Geschenk pro Kind unter den Weihnachtsbaum zu legen.
Einen Tag verzichten auf den Kaufrausch und dafür Zeit für andere Dinge haben: Zeit für Freunde, für Familie, für sich selbst. Oder einfach mal zum Nachdenken. Brauche ich dieses neue Kleid, wirklich? Oder den Wollpulli, obwohl schon zehn weitere im Schrank liegen? Muss dieses Spielzeug wirklich in den Einkaufskorb wandern, nur weil die alten angeblich keinen Spaß mehr machen?
Nicht nur der persönliche Nutzen sollte ein Denkanstoß sein, sondern auch die Art und Weise, wie die vielen nützlichen und sinnlosen Dinge hergestellt wurden. Bevor die Hose am Kleiderbügel im Geschäft hängt, geht sie durch unzählige Hände. Der Bauer pflückt die Baumwolle auf der Plantage, die Rohware wird gewaschen, gesponnen, gefärbt, der Stoff zugeschnitten, genäht und das gute Stück verpackt. Die Kleider, die wir tragen, haben in der Regel eine halbe Weltreise hinter sich, bevor sie zum Kauf im heimischen Geschäft angeboten werden. Ganz zu schweigen von den Hungerlöhnen, für die die Pflücker, Näher oder Lieferanten im Akkord arbeiten müssen.
In der glitzernden Weihnachtswelt der Kaufhäuser ist für solche Gedanken kein Platz. Gefragt sind Schnäppchen, das beste Angebot zum günstigsten Preis. Nur wer viel hat, kann auch mitreden, lautet bei vielen das Motto. Der Einzelhandel kennt die Tricks, die die Kundschaft zu noch mehr Konsum bewegen. Sicher wird die Kauf-nix-Aktion dem Einzelhandel nichts anhaben. Nicht nur weil viel zu wenig Menschen mitmachen. Sondern weil ein einziger Tag Konsumverzicht noch keine deutlichen Einbußen in die Kassen der Ladeninhaber bringt. Darum geht es auch nicht. Niemand will den Ladeninhabern das Geschäft vermiesen.
Was zählt, ist die kurze Denkpause im Alltag, getrieben von Sehnsüchten, die über Smartphone, Kleidung und Schmuck und andere schöne Dinge vermeintlich gestillt werden. Weniger ist mehr, kommt in diesen Zeiten noch immer bei viel zu wenigen an. Tanja Tricarico
Gut gedacht, schlecht gemacht. So ist es mit dem Kauf-nix-Tag. Schon der Ansatz ist falsch gedacht. Erstens schrecken Verbote und moralisch erhobene Zeigefinger Menschen immer ab. Begeisterung erzeugen nur positive Ziele. Hier lautet die Botschaft Verzicht. Hinter dem Ofen lockt dies niemanden hervor. Aber auch die Idee selbst trägt nicht sehr weit.
Die Welt lässt sich nicht retten, indem den Konsumenten der Einkaufsbummel madig gemacht wird. Psychologisch geht die Rechnung nicht auf, weil Shoppen bei vielen Menschen einen gewissen Lustgewinn im Gehirn erzeugt. Politisch ist der Aktionstag überflüssig, weil er nämlich keine Alternative zum Kaufrausch anbietet. Ökonomisch wäre der Konsumverzicht schädlich, weil die Wirtschaft am Ende von den Einkäufen der Verbraucher lebt.
Das Anliegen hinter dem Aktionstag ist trotzdem wichtig. Die Menschen in den wohlhabenden Ländern verschwenden mit ihrem Lebensstil zu viele Ressourcen. Gerade in einem Jahr wie diesem, in dem die Löhne kräftig gestiegen sind, geben viele Verbraucher ihr sauer verdientes Geld gerne für neue Anschaffungen aus. Individuell ist dieses Verhalten verständlich, kollektiv unverantwortlich.
Daran tragen Handel und Industrie eine erhebliche Mitverantwortung. Deren Produktzyklen werden immer kürzer. Modetrends halten zum Beispiel nicht mehr über ein Jahr. Textildiscounter wechseln die Kollektionen bis zu zwölfmal im Jahr aus. Wer da wirklich mithalten will, soll in immer kürzeren Abständen neue Kleidung erwerben. Ältere Shirts und Hosen füllen die Schränke oder landen in vielen Fällen im Abfall.
Der Verbraucher entscheidet, wie viel und was er konsumiert. Wenn sich an deren Verhalten etwas ändern soll, müssen endlich attraktive Alternativen zum verantwortungslosen Kaufrausch her. Es gibt sie. Lieber etwas weniger Masse kaufen, aber dafür große Klasse, wäre eine davon. Gebrauchte Waren nicht wegzuwerfen, sondern weiterzugeben, eine andere. Noch ist das Image eines verantwortlichen Konsums nicht gut genug, auch weil die fortwährende Berieselung mit Werbung andere Bedürfnisse weckt. Erst wenn es wirklich Spaß macht, sich gut zu verhalten, werden die Konsumenten es am Ende auch tun.Wolfgang Mulke
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