Nie waren sie so populär wie heute: Wie Archivare in jahrzehntelanger Kleinarbeit versuchen, das kollektive Gedächtnis der Deutschen zu retten / Von Stefan Hupka
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Es war nur ein vergilbter Fetzen Papier, aber er hat ein Leben verändert. Clemens Rehm kann es bezeugen. Im Jahr 2000 muss das gewesen sein, im Generallandesarchiv Karlsruhe. Da beobachtete der Archivdirektor eine alte Russin, wie sie sich über eine Karteikarte beugte und dabei ganz still und feierlich wurde. Tausende von Kilometern war die Greisin aus ihrer Heimat angereist, für diesen Augenblick. Daheim in Russland war die Frau nie wieder ihres Lebens richtig froh geworden nach dem Krieg. Man hatte sie Nazikollaborateurin gerufen und schlecht behandelt. Die Karteikarte einer nordbadischen Firma hier aber war der Gegenbeweis. Darauf sah sie ein Jugendfoto von sich und die Bestätigung: Zwangsarbeit. "Es war bewegend", erinnert sich Archivdirektor Clemens Rehm, "die Frau hat in diesem Moment ein Stück ihrer Menschenwürde zurückgewonnen."
Ein Archiv sagt die Wahrheit – was für den einen, wie man sieht, ein großer Trost sein kann, für den anderen aber auch ein Schock. Denn es gibt auch den umgekehrten Fall: dass einer im demokratischen Deutschland eine imposante Politiker- oder Schriftstellerkarriere hinlegt, sich aber plötzlich von einer verschollen geglaubten Karteikarte ...