Wild- und Honigbienen

Bienensterben: Wie schlecht geht es den Insekten wirklich?

Parasiten, Pestizide und Klimawandel führen zum sogenannten Bienensterben. Was das aber genau bedeutet und welche Folgen das für den Menschen hat, darum herrscht immer noch Verwirrung.  

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Das Hauptproblem für die Wildbiene ist...die Intensivierung der Landwirtschaft.  | Foto: IMAGO/imageBROKER/Thomas Hinsche, imago
Das Hauptproblem für die Wildbiene ist der Verlust von natürlichem Lebensraum und Nahrungsangebot – vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft. Foto: IMAGO/imageBROKER/Thomas Hinsche, imago

Das "Bienensterben" sorgt seit Jahren für Schlagzeilen. Auch aktuell schreibt die Berliner Morgenpost von einem Sterben in Rekordzahlen, in der Bild-Zeitung schätzen Imker aus Sachsen die Verluste bei ihren Bienenvölkern auf bis zu 50 Prozent. Damit wächst die Angst vor Konsequenzen – nicht nur vor teurem Honig, sondern auch vor einem Ernteverlust in der Landwirtschaft, wenn die Bestäuber fehlen. Die Sorge um die fliegenden Insekten ist berechtigt, wird aber zu undifferenziert betrachtet, wissen Bienenforscher.

Jeden Winter sterben in ganz Deutschland Millionen von Honigbienen. Pro Jahr seien es im bundesweiten Durchschnitt zwischen 10 und 25 Prozent der Völker, sagt Christoph Otten, Leiter des Fachzentrums Bienen und Imkerei in Mayen, Rheinland-Pfalz. Er wertet jährlich Daten von tausenden Imkern aus ganz Deutschland aus. Dabei gibt es regional unterschiedlich große Verluste. "Insgesamt schlägt das diesen Winter nach oben aus", sagt Otten.

Die Todesursache? "Das wüssten wir auch gern genauer", sagt Otten. Tatsächlich sind die Gründe für das winterliche Ableben der Honigbienen noch nicht ganz geklärt. Otten geht davon aus, dass die Witterungsbedingungen im vergangenen Jahr den Milbenbefall begünstigt und damit überdurchschnittlich viele Opfer gefordert haben.

Varroa-Milbe ist der wesentliche Faktor für das Sterben der Honigbienen

Die Varroa-Milbe, da ist sich die Wissenschaft einig, ist der wesentliche Faktor für das Sterben der Honigbienen. Der Parasit schwächt Arbeiterbienen und ihre Brut und überträgt gefährliche Viren. Doch auch eine zu schlechte Nahrungsversorgung wegen ungünstiger Witterungsverhältnisse im Sommer, der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und Folgen des Klimawandels, wie zunehmende Trockenheit und Einwanderung neuer Feinde, können die Sterblichkeit der Bienen begünstigen.

Ein Grund zur Panik ist das laut Otten aber nicht: "Honigbienen wird es immer geben" – jedenfalls, solange der Mensch sich um sie kümmere. Laut Deutschem Imkerbund (DIB) ist die Honigbiene das drittwichtigste Nutztier nach Rind und Schwein. Von 2010 bis heute ist die Zahl der Bienenvölker, die beim DIB registriert sind, deutlich gestiegen, von 620.000 auf mehr als 930.000. Seit einigen Jahren stagniere die Kurve, sagt Otten. Die jährlichen Verluste konnten die Imker durch Teilung und Vermehrung der Völker bisher ausgleichen, wenn auch mit wirtschaftlichen Einbußen, so der Bienenexperte.

Dramatischer ist die Lage der Wildbienen

Von einem langfristigen Bienensterben kann im Fall der Honigbiene also keine Rede sein. Umso dramatischer ist die Lage der Wildbienen. In Deutschland gibt es nach der aktuellen Bestandsaufnahme aus 2023 rund 600 Wildbienenarten, dazu gehören auch die allseits beliebten Hummeln. Rund die Hälfte der Arten ist gefährdet, knapp sechs Prozent akut vom Aussterben bedroht, sagt Bienenforscher Otto Boecking vom LAVES-Institut für Bienenkunde in Celle, Niedersachsen. Seit der vorherigen Bestandsaufnahme im Jahr 2015 gelten 37 Wildbienenarten als bundesweit ausgestorben.

Das Hauptproblem für die Wildbiene ist der Verlust von natürlichem Lebensraum und Nahrungsangebot – vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft. Weil Felder mit einseitiger Bepflanzung immer größer werden, müssen Hecken und Blühwiesen weichen. Der Einsatz von Dünger und Unkrautbekämpfungsmitteln reduziert die Diversität der Wildpflanzen.

Viele Wildbienen, die oft auf eine oder wenige Pflanzen spezialisiert seien, fänden durch die Verarmung der Landschaft keine Nahrung mehr, so die Bienenforscher. Weil ein Großteil der Arten im Boden nistete, verlieren sie zudem durch Verdichtung und Bearbeitung des Bodens und Versieglung von Flächen für Straßen- und Siedlungsbau ihre Brutplätze.

Welche Konsequenzen hat das für den Menschen?

Nach Angaben des NABU sind rund 80 Prozent der Wild- und Kulturpflanzenarten in Deutschland von der Bestäubung durch Fluginsekten, vor allem den Bienen, abhängig. Für die Nahrungsmittelversorgung in Deutschland gibt Boecking aber Entwarnung. Die massenhafte Bestäubung vieler Obst- und Gemüsesorten – ob Raps, Äpfel oder Ackerbohnen – übernähme hauptsächlich die Honigbiene, die sich anders als die Wildbiene auf verschiedene Pflanzenarten einstellen könne. Einige wichtige Pflanzen, wie Weizen, Mais und Kartoffeln würden generell ohne das Zutun von Insekten bestäubt werden.

Das ist ein schleichender Prozess, aber irgendwann bricht das Ökosystem zusammen.Christoph Otten

Trotzdem werde der Verlust der Wildbiene spürbare Folgen für uns haben, warnen die Bienenforscher. Bisher dienen die fliegenden Insekten als Nahrung für Spinnen, Insektenlarven oder Vögel. Das Sterben der Wildbienenarten hinterlässt demnach eine gravierende Lücke im System. "Das ist ein schleichender Prozess, aber irgendwann bricht das Ökosystem zusammen", warnt Bienenforscher Otten. Auch Boecking spricht von Kaskadeneffekten.

Um die Entwicklung aufzuhalten, müssten Mängel in der Agrarlandschaft kompensiert werden, erklärt Boecking, beispielsweise durch geringeren Pestizideinsatz, sowie dem Erhalt von Brachflächen und Blühwiesen. Im Rahmen bestehender Agrar-Umweltmaßnahmen werden Landwirte für solche Maßnahmen bereits finanziell unterstützt. Zudem hofft Boecking auf eine Hochstufung des gesetzlichen Schutzstatus der seltenen Wildbienenarten auf "streng geschützt".

Schlagworte: Christoph Otten, Bienenforscher Otto Boecking, Bienenforscher Otten

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