München

Assekuranz und Staat haften gemeinsam für Terrorschäden

Assekuranz und Staat haften gemeinsam für Großschäden durch Attentate / Rund 40 Prozent der Risiken sind bislang versichert.  

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Polizisten nach den Attentaten von Paris im November nahe des Eiffelturms   | Foto: dpa
Polizisten nach den Attentaten von Paris im November nahe des Eiffelturms Foto: dpa

MÜNCHEN. Die Attentate von Paris haben die Nachfrage nach speziellen Terrorversicherungen steigen lassen. Solche Policen bieten nicht einzelne Versicherungsunternehmen an, weil ein Schadensfall sie überfordern könnte. Stattdessen bilden sich sogenannte Terrorpools wie Extremus. Ein Einblick in ein

e besondere Branche.

Terroranschläge töten nicht nur Menschen. Sie können auch hohe Sachschäden verursachen. Allein die Angst davor reicht aus, um – wie zuletzt in Brüssel – Kaufhäuser in der verkaufsstarken Vorweihnachtszeit tagelang geschlossen zu halten. Auch das kann viel Geld kosten.

Ohne Versicherung sind Unternehmen in einer solchen Situation aufgeschmissen. In normalen Policen sind Terrorrisiken häufig ausgeschlossen. Man kann sie aber gegen Aufpreis extra versichern, erklärt Barbara Langer. Im eigenen Haus will man von solchen Policen jedoch wenig wissen, sagt die Terrorexpertin des Assekuranzriesen Munich Re. Terrorgefahren seien kaum abschätzbar. Versicherer aber brauchen verlässliche Erfahrungswerte als Kalkulationsgrundlage.

Eine Versicherungslücke besteht in Deutschland und knapp zwei Dutzend weiteren Ländern wie den USA, Frankreich oder Großbritannien dennoch nicht. Denn überall dort gibt es sogenannte Terrorpools. Zu dem schließen sich mehrere Versicherungsunternehmen und der jeweilige Staat zusammen, um Terrorgefahren versichern zu können.

Geburtsstunde dieser Pools war der Anschlag auf das World Trade Center 2001 in New York. Rund 3000 Tote und Sachschäden von 32,5 Milliarden Dollar war damals die Bilanz. Das hätte jede Versicherung überfordert. Hierzulande wurde deshalb im Jahr 2002 der Risikopool Extremus mit Sitz in Köln gegründet, an dem 16 Versicherer Anteile halten. Größte Eigner sind neben Munich und Swiss Re die Allianz und HDI-Gerling.

"Die Geschäfte wachsen stetig", sagt Extremus-Chef Leo Zagel. 400 bis 500 Millionen Euro habe der Pool seit 2002 an Prämien eingenommen. 45 Millionen Euro würden es wohl dieses Jahr. Nach den Anschlägen von Paris sei die Nachfrage etwas gestiegen – speziell von Theatern oder Hotelketten. Bislang ist Extremus ohne Schadensfall in Deutschland davongekommen. Insofern ist es bislang ein profitables Geschäft, allerdings mit immensem Risikopotenzial. Extremus hat rund 7000 Großrisiken mit einem Wert von insgesamt 670 Milliarden Euro unter Vertrag. Versichert sind Messen und Hochhäuser, ganze Flughäfen und Fußballstadien, Banken und Versicherungen, Kirchen und große Industrieanlagen. Gemessen an der Versicherungssumme gäbe es für rund 40 Prozent aller denkbaren Großschäden eine Terrorpolice, schätzt der Extremus-Chef.

Der Mittelstand versichert sich allerdings kaum. An der Prämie scheitere eine Versicherung gegen Terrorrisiken nicht. Die sei ziemlich niedrig. Das könne man an der Relation von 670 Milliarden Euro an Versicherungswerten und 45 Millionen Euro an jährlichem Prämienvolumen ablesen.

Gerade steht Extremus allerdings jährlich nur für Terrorschäden von maximal zwei Milliarden Euro. Darüber hinaus gibt es Staatsgarantien für Schäden im Umfang von weiteren acht Milliarden Euro. Gemessen an den Werten, die beim Anschlag auf das World Trade Center vernichtet wurden, scheint das nicht ausreichend. Aber der Kampf gegen den Terror wurde mittlerweile so sehr verstärkt, dass die Assekuranz einen neuen Anschlag dieser Größenordnung nicht mehr für möglich hält. Die Terrorattacken der jüngsten Zeit sind zwar immer noch schrecklich genug, bestätigen aber diese Sicht.

Grundsätzlich springt Extremus erst dann ein, wenn ein Terrorschaden 25 Millionen Euro übersteigt. Summen darunter decken normale Policen ab. Versichert werden Schäden an Gebäuden und der Betriebsausfall. Policen für Letzteres werden aber nur wirksam, wenn ein Sachschaden vorausgeht, betont Langer. In Fällen wie in Brüssel, wo Kaufhäuser schließen mussten, weil ein Terroranschlag befürchtet wurde, zahlen Terrorpolicen nicht. Für solche Fälle gebe es zwar Spezialdeckungen Londoner Versicherungssyndikate. Die aber sind bislang kaum verbreitet.

Die Expertin der Munich Re, Barbara Langer, schätzt, dass in westeuropäischen Städten maximal fünf Prozent aller großen Kaufhäuser oder Hotels entsprechend versichert seien. Das könnte sich ändern, vermutet Langer. "Wir erwarten, dass im Gewerbe und nach dem abgesagten Länderspiel in Hannover auch für Veranstaltungsausfallpolicen das Bewusstsein gestiegen ist."

Privatpersonen brauchen keine spezielle Absicherung für den Terrorfall. Eine private Gebäude- oder Lebensversicherung zahlt auch bei solchen Schäden.

Terrorpolicen

Eine Versicherung gegen Terrorgefahren ist für Unternehmen in Frankreich oder Spanien Pflicht. In den USA muss sie jeder Firma angeboten werden. In Deutschland können Großrisiken über 25 Millionen Euro beim Kölner Terrorpool Extremus versichert werden. Hinter ihm stehen insgesamt 16 Versicherungskonzerne und der Staat.

2016 wird sich die Risikoverteilung zwischen Staat und Extremus ändern. Dann steht der Terrorpool für die ersten 2,5 (heute 2,0) Milliarden Euro Schaden durch Terroranschläge in einem Jahr gerade. Der Risikoanteil der Bundesrepublik sinkt dann für darüber hinausgehende Schäden auf 7,5 (heute acht) Milliarden Euro. Extremus übernimmt aber keine Deckung für Schäden durch biologisch-chemische oder nukleare Terrorangriffe. Nicht ausgeschlossen sind Terrorgefahren übrigens in neuartigen Cyberpolicen gegen Hackerangriffe. Versicherer müssten dort nämlich beweisen, dass ein Cyberangriff durch Terroristen durchgeführt wurde, was so gut wie unmöglich ist.

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