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Gedenken an die Pogrome der Nazis

Antisemitismusbeauftragter spricht von Bedrohungen gegen Juden im neuen Gewand

Antisemitische Taten mehren sich, der Hass gegen Jüdinnen und Juden breitet sich vom Internet in die analoge Welt aus. Der Antisemitismusbeauftragte des Landes mahnt aus Anlass eines historischen Datums.  

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Michael Blume  | Foto:  Bernd Weissbrod (dpa)
Michael Blume Foto:  Bernd Weissbrod (dpa)

Anlässlich des 86. Jahrestages der Pogromnacht hat der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Michael Blume, auf Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden vor allem im Internet hingewiesen. Der Antisemitismus sei in Baden-Württemberg nie verschwunden gewesen, schreibt Blume in einem Gastbeitrag für die Badischen Neuesten Nachrichten. "Er kehrt jetzt als Antizionismus mit digitaler Wucht zurück. Daher möchte ich an diesem 9. November nicht nur an die Schrecken der Vergangenheit erinnern, sondern auch auf die Bedrohungen hinweisen, die Jüdinnen und Juden heute im neuen Gewand erfahren müssen."

Unter Antisemitismus versteht man feindselige oder hasserfüllte Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Juden und Jüdinnen. "Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Angriffe gegen Jüdinnen und Juden und gegen jüdische Einrichtungen steigen rasant", schreibt Blume. "Im Internet werden sie täglich beleidigt und bedroht. Und immer wieder schwappt dieser Hass auch auf die Straße."

Blume spricht von Bildungsneid

Das Judentum sei mit der Entwicklung eines Alphabets vor fast 4000 Jahren zur ersten Religion mit Heiliger Schrift in Alphabetzeichen geworden, erläutert er. Es sei religiöse Pflicht gewesen, dass auch die Kinder aus ärmeren Familien Lesen und Schreiben lernen. "Das Judentum wurde so zur ersten Bildungsreligion und konnte fortan auch ohne Tempel und sogar fast zwei Jahrtausende ohne eigenes Land überleben." Doch nachfolgende Religionen und Weltanschauungen hätten dem Judentum seine bedeutende Rolle kaum gedankt.

"Aus diesem Bildungsneid entstanden die antike Judenfeindlichkeit, der mittelalterliche Antijudaismus und schließlich der rassistische und massenmörderische Antisemitismus", schreibt Blume. Heute eskalierten auch in Baden-Württemberg antisemitische Bedrohungen und Gewalttaten, besonders betroffen seien Universitätsstädte. "Das erinnert daran, dass formale Bildung alleine nie vor Verschwörungsglauben geschützt hat."

Vor allem jüdische Studenten seien heute Antisemitismus ausgesetzt

Zuerst in Washington oder Berlin, inzwischen aber auch zum Beispiel in Mannheim und Heidelberg, erlebten unter anderem jüdische Studierende den Vormarsch des Antisemitismus' in ihrem Alltag, betont Blume. "Sie werden digital mit Hamas-Zeichen markiert und der barbarische Terror des 7. Oktober wird vor ihren Augen als Befreiungskampf gefeiert." Einige jüdische Studierende versteckten inzwischen religiöse Symbole und Kleidungsstücke, manchen falle die Fortsetzung des Studiums zunehmend schwer.

Am 9. November wird bundesweit an die Opfer der nationalsozialistischen Pogrome und an die systematische Ermordung der europäischen Juden erinnert. In der Nacht auf den 10. November 1938 hatten im Deutschen Reich Synagogen gebrannt. Zudem begannen unter den Nationalsozialisten direkte und gezielte Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 11. November 2024: PDF-Version herunterladen

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Volker O'Barden

3932 seit 10. Mai 2021

Wer Bildungsneid, religiösen Antijudaismus, antike Judenfeindlichkeit, einen eschatologischen oder nationalistischen Zionismus, Rassismus, Verschwörungsglauben, Antikolonialismus, Antisemitismus nationalistische Pogrome und Massenmorde schlagwortartig zusammenrührt, trägt weder etwas zur Bekämpfung des Antisemitismus bei, noch eröffnet er einen Zugang zum Verständnis der vielschichtigen Probleme des Nahen und Mittleren Ostens, um von einer Lösung erst gar nicht zu sprechen.

Im Gegenteil: Wie das bewusste Framing eines Genozids als Selbstverteidigung, die Verletzung journalistischer Prinzipien bei der häufig tendenziösen, manipulativen und skandalisierenden Berichterstattung über pro-palästinensische Demonstrationen, israelkritische Artikel, Bücher, Filme, Theaterstücke und Kunst, wissenschaftliche Diskurse, pubertäres Rowdytum, Ausschreitungen fanatisierter Vereinsfans, rassistisch konnotierte Gewalt, oder den sich aus vielen Quellen speisende Hass auf Minderheiten und/oder staatliche Strukturen, verhindert eine solche Herangehensweise die wirksame Bekämpfung eines Antisemitismus, die man sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat.

Bärbel Frei

1964 seit 15. Nov 2021

"Ich habe nicht das Gefühl, dass es für meine Stimme als jüdischer Israeli einen Platz gibt in Deutschland. Ich, dessen Familie von Deutschen umgebracht wurde, habe Angst, mit deutschen Medien zu sprechen und danach als Antisemit bezeichnet zu werden." So äußerte sich der israelische Regisseur des auf der Berliniale ausgezeichneten Dokumentarfilms "No Other Land" gegenüber dem Spiegel. Bei der Preisverleihung schilderte Abraham die unterschiedlichen Lebensumstände von sich und seinem damals ebenfalls anwesenden palästinensischen Co-Regisseur Basel Adra, bezeichnete das System als Apartheid, und Adra erinnerte an das "Abschlachten" von Zehntausenden Menschen seines Volkes in Gaza. In der Folge wurde die Berliniale mit Antisemitismusvorwürfen überhäuft, der israelische Fernsehsender KAN bezeichnete Abrahams Äußerungen als antisemitisch, und beide Filmemacher wurden bedroht. "Indem sie, [die deutsche Regierung und viele deutsche Politiker], den Begriff Antisemitismus komplett jeder Bedeutung berauben, gefährden sie... auf lange Sicht genau die Leben, die sie vorgeben zu schützen." In Deutschland fühlen sich sowohl Abraham als auch Adra unwillkommen.

Antisemitismus, die Diskriminierung und Bedrohung von Juden, ist nicht hinnehmbar. Die Antisemitismuskeule ist jedoch oft unberechtigt bei der Hand. Völlig absurd ist es, Juden wie Abraham, die sich für eine Zweistaatenlösung und Gleichberechtigung einsetzen und die israelische Regierung kritisieren, als Antisemiten zu bezeichnen.


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