"Alle sind abgefahren"

BZ-INTERVIEW mit Lena Kuhlmann, die als Rekordrichterin für Guinness World Records arbeitet.  

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Ein besonders heißer Rekord: Stuntman Joe Tödtling Foto: Barbara Gindl
Der längste Bart, die schnellste Katze, der größte Mensch – im "Guinness Buch der Rekorde" gibt es jedes Jahr eine Zusammenstellung toller Rekorde. Ob ein Rekord auch wirklich stattgefunden hat und alles mit rechten Dingen zuging, das bezeugen weltweit 90 Rekordrichterinnen und -richter. Lena Kuhlmann (35) ist die einzige Rekordrichterin im deutschsprachigen Raum. Sonja Zellmann hat mit ihr gesprochen.

BZ: Wie kommt man denn zu so einer außergewöhnlichen Tätigkeit?
Kuhlmann: Ich wollte das machen, nachdem ich mal einen Rekordrichter im Fernsehen über seine Arbeit sprechen hörte. Darauf habe ich einfach bei Guinness World Records angerufen. Die Organisation sitzt in London. So kam es zum Kontakt und dann zum Richterjob. Von Beruf bin ich Kommunikationsstrategin, psychologische Körpertherapeutin und Yogalehrerin. Das sind aber keine Voraussetzungen für die Tätigkeit. Dabei kommt es darauf an, dass man gut mit Leuten reden kann und absolut zuverlässig ist. Man ist meist alleine unterwegs und trifft viele Menschen, die unbedingt wollen, dass ihr Rekord klappt. Da darf man sich nicht beeinflussen lassen und muss klar nach den Guinness-Regeln handeln.

BZ: Wie oft sind Sie durchschnittlich im Einsatz?

Kuhlmann: Vor der Pandemie zwei, drei Mal im Monat, in der Pandemie etwas seltener. Immer häufiger richte ich online über Rekorde.

BZ: Wie funktioniert das?

Kuhlmann: Meist sind das solche Rekorde, die auch mit dem Internet zu tun haben. Neulich habe ich den Rekord "Die meisten Menschen, die online gleichzeitig Eis essen" abgenommen. Das waren 288. Die waren alle in einer Online-Videokonferenz. Oder: Die meisten Menschen, die in einer Stunde ein Bild beim Grillen hochladen. Es gibt aber auch Online-Rekordabnahmen, die kein Internet bräuchten. Ich habe zum Beispiel "Die längste Zeit, Beachvolleyball zu spielen" über Webcams beobachtet.

BZ: Was war ihr jüngster Einsatz?

Kuhlmann: Das war der Rekord: Die schnellste Zeit, vier Reifen an einem Auto zu wechseln. Den haben vier Auszubildende in Wien aufgestellt. In 49,03 Sekunden – jeder hat einen Reifen gewechselt.

BZ: Klappen denn die meisten Rekorde? Vermutlich trainieren die Leute ja sehr dafür?

Kuhlmann: Wenn ein Rekordrichter den Rekordversuch bezeugt, ist das tatsächlich oft so, da häufig eine professionelle Organisation und eine große Veranstaltung dahinter stecken. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Rekorde mit Beweismaterial einzuschicken. Da ist die Durchfallquote höher – meist wegen lückenhaften Beweismaterials.

BZ: Was war der spannendste Rekord, bei dem Sie dabei waren?

Kuhlmann: Ich finde alle Rekorde abgefahren. Sehr spektakulär war aber die längste Zeit eines Ganzkörperbrandes. Da stand der ganze Körper des Österreichers Joe Tödtling – im Schutzanzug und mit Schutzpaste im Gesicht – fünf Minuten lang in Flammen. Der Rekordhalter ist heute einer der beliebtesten Stuntmen in Sachen Feuer. Und ich war dabei, als der kenianische Läufer Eliud Kipchoge seinen Weltrekord im Marathon aufstellte.

BZ: Haben Sie auch schon außerhalb von Europa Rekorde bezeugt?

Kuhlmann: Am weitesten weg war ein Rekord auf den Philippinen. Da ging es um die meisten Ultraschall-Untersuchungen in acht Stunden. Das war zu einem guten Zweck für Leute, die sich keine Arztbehandlung leisten können.
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