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Fragen und Antworten

18 Notfallpraxen in Baden-Württemberg schließen - Müllheim ist auch dabei

Die Kassenärztliche Vereinigung organisiert wegen des Ärztemangels den Bereitschaftsdienst in Baden-Württemberg neu. 18 Notfallpraxen machen dicht. Wie genau sehen die Pläne aus?  

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Wohin im Notfall? (Symbolbild)  | Foto: Michael Bamberger
Wohin im Notfall? (Symbolbild) Foto: Michael Bamberger

Vor einem Jahr hatte die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) bereits acht Notfallpraxen geschlossen, nun sollen 18 weitere hinzukommen. Begleitet von lauten Protesten hat die KVBW am Montag die Details vorgestellt.

Was ist der Hintergrund der Reform?

"Wir haben schlicht und einfach ein Personalproblem", sagt KVBW-Chef Karsten Braun. Aktuell seien 963 Hausarztsitze im Land unbesetzt. Mit der Ruhestandswelle und der steigenden Zahl angestellter Ärztinnen und Ärzte würden immer weniger Kassenärzte für den Bereitschaftsdienst zur Verfügung stehen, "das wird sich drastisch verschärfen". Auslöser für die Schließungspläne war zudem ein Gerichtsurteil. Rund 40 Prozent der Dienste hatten bis dato Ärzte ohne Kassensitz, sogenannte Poolärzte, übernommen. Nach dem Urteil wären für sie Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen gewesen. Deshalb beschloss die KVBW, das Angebot einzuschränken.

Wie sehen die weiteren Pläne aus?

Das Konzept sieht vor, dass 18 weitere allgemeine Bereitschaftspraxen in Baden-Württemberg geschlossen werden. Künftig gibt es dann noch 57 allgemeine Praxen für den Fall akuter Beschwerden an den Wochenenden oder am Abend. Hinzu kommen insgesamt 32 fachärztliche Bereitschaftspraxen in der Kinder- und Jugendmedizin, im augenärztlichen Bereich und im HNO-Bereich – hier gibt es keine zusätzlichen Schließungen. Von 115 Notfallpraxen bleiben also 89 übrig, damit schließt fast jeder vierte Standort.

Welche Kommunen sind betroffen?

Konkret geht es um die Praxen in Achern, Albstadt, Backnang, Bad Saulgau, Brackenheim, Eberbach, Ellwangen, Ettlingen, Herrenberg, Kirchheim/Teck, Müllheim, Münsingen, Nagold, Neuenbürg, Oberndorf, Schwetzingen, Tettnang und Wolfach. Für alle Standorte ist dies bitter, einzelne Landkreise sind aber besonders betroffen. Beispiel Rems-Murr-Kreis: Dort hatte vor zehn Jahren das Kreiskrankenhaus geschlossen, vor einem Jahr die Notfallpraxis in Schorndorf und nun kommt Backnang dran. Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich (Freie Wähler) sprach auf der Kundgebung in Stuttgart von einem "eklatanten Vertrauensbruch". Er forderte Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) auf, einzugreifen.

Welche Konsequenzen haben die Schließungen für die Patienten?

Es soll weiterhin in jedem Stadt- und Landkreis mindestens eine Bereitschaftspraxis geben. Ziel ist, dass 95 Prozent der Bevölkerung diese in 30 Fahrminuten mit dem Auto erreichen können, 100 Prozent in spätestens 45 Minuten. "Wir können so eine verlässliche Erreichbarkeit erreichen", sagte die stellvertretende KVBW-Vorsitzende Doris Reinhardt. "Wir ducken uns nicht weg vor unserem Sicherstellungsauftrag." Sowohl Reinhardt als auch Braun betonten, dass es nicht um "echte Notfälle" gehe. Im Schnitt bräuchten die Bundesbürger nur alle sechs Jahre einen Bereitschaftsdienst.

Diese Notfallpraxen werden geschlossen:
  • Achern
  • Bad Saulgau
  • Ellwangen
  • Kirchheim unter Teck
  • Nagold
  • Schwetzingen
  • Albstadt
  • Brackenheim
  • Ettlingen
  • Müllheim
  • Neuenbürg
  • Tettnang
  • Backnang
  • Eberbach
  • Herrenberg
  • Münsingen
  • Oberndorf
  • Wolfach

Kann das Konzept noch kippen?

Das ist nicht zu erwarten. Lucha macht bisher keine Anstalten, in die Pläne einzugreifen. Schon auf einen Protestbrief der betroffenen Kommunen hin hatte er erklärt, dass die Möglichkeiten des Landes als Rechtsaufsicht begrenzt seien und die KVBW das Recht habe, die Bereitschaftsdienste neu zu strukturieren. Am Montag wurde er noch deutlicher: Man müsse den Bürgern "reinen Wein" einschenken. Ohne Veränderungen gehe es "angesichts knapper werdender personeller und finanzieller Ressource" nicht, teilte Lucha mit.

Wie geht es weiter?

Am Mittwoch wird der Sozialausschuss des Landtags öffentlich über die Pläne beraten, Lucha wird dabei nochmals seine Position darlegen und sich kritischen Fragen stellen müssen. Die kommen nicht nur aus der SPD, sondern auch vom Koalitionspartner CDU. Die Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes soll dann laut KVBW schrittweise ab April 2025 bis Ende 2025 umgesetzt werden.

Pool-Arzt

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte im Oktober 2023 entschieden, dass ein Pool-Arzt im vertragszahnärztlichen Notdienst der Sozialversicherungspflicht unterliegt, also nicht automatisch selbstständig ist. Zwar stellte das Gericht fest, dass es auf den konkreten Einzelfall ankomme. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hatte dies aber damals zum Anlass genommen, umgehend die ersten acht Bereitschaftspraxen zu schließen und die Tätigkeit aller Poolärztinnen und Poolärzte zu beenden. Nach früheren Angaben übernahmen Poolärzte, darunter Ruheständler oder Krankenhausärzte, bis dahin rund 40 Prozent der Bereitschaftsdienste. Nun sind nur noch die Vertragsärzte, die zu den Notdiensten verpflichtet sind, im Einsatz.

Ressort: Südwest

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Kommentare

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Fritz Muliar

146 seit 20. Sep 2024

Das Ganze ist weder KaLau's schuld, noch ist "Manne" schuld oder involviert.

Wie Dr. Rapp festgestellt hat, ist u.A. ein Sozialgerichtsurteil verursachend für die Misere. Und auch hier ist der Ärztemangel eine weitere Komponente.
Die reine Zahl der Studenten ist im Laufe der letzten 10 Jahre um ca 15 % gestiegen, was jedoch nur die Gesamtzahl beschreibt.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/221/umfrage/anzahl-der-studenten-an-deutschen-hochschulen/
Die Zahl der Medizin-Studierenden sinkt im Gegensatz dazu
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/147674/Weniger-Bewerbungen-auf-Medzinstudiumsplaetze#:~:text=Wiesbaden%20%E2%80%93%20Die%20Zahl%20der%20Bewerbungen,35.567%20im%20Wintersemester%202022%20%2F%202023.
Da auch im Ärztebereich die Boomregeneration dem Ende des Praktizierens entgegen kommt, ist es logisch, dass immer mehr Stellen unbesetzt sind.
Das ist nicht ausschließlich die Schuld der Politik. Es ist mindestens im gleichen Maße dem Umstand geschuldet, dass der Beruf des Arztes immer mehr Budgets und Berichtswesen unterliegt. Budgets, welche die KVen und die Krankenkassen ausbaldowern. Ein Ausdruck, welcher das Vorgehen treffend beschreibt
Somit hat die Gesundheitspolitik kaum Einfluss, ein Landesgesundheitsminister noch weniger bis gar nichts.
Man müsste die Attraktivität erhöhen und das braucht ganz einfach Geld. Geld ist das, was nicht mehr in ausreichender Menge verfügbar ist. Und die Beiträge in astronomische Höhen treiben ist auch kein Weg. So ist's

Peter Rapp

12540 seit 25. Sep 2009

Es gibt noch eine Instanz hinter dem Bundessozialgericht @ Fritz Muliar , das ist der Hubertus Heil. Der hatte letztendlich entschieden, dass für das KV-Honorar (für ansich selbständige) Ärzte im KV-organisierten Notdienst Sozialabgaben fällig seien, wie wenn die von der KV angestellt wären.

Ansich kann man das mit einer geeigneten (nicht verbotenen) rechtlichen Hilfskonstruktion (Vertrag des Dienenden mit Praxiseigner, der rechnet über die KV ab und tritt "sein" Hohnorar ab) umgehen. Da es aber eh gutteils Rentner sind, die sich von der KV im "Notdienstpool" haben organisieren" lassen, versteh ich ohne Weiteres, dass die jetzt den Kanal voll haben. Die große große Politik will seit Horst Seehiofer und Schmulla Schmidt keine Selbständigen mehr haben im Gesundheitswesen. No bitte. Sie ist damit kurz vor dem Zieleinlauf.

PR


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