Leitartikel
Zehn Jahre Zisch: Auf dem Weg zum mündigen Bürger
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Das ist gewiss auch eine Motivation, wenn die Badische Zeitung Jahr für Jahr Hunderte Klassen in Südbaden für viele Wochen mit ihrer aktuellen Ausgabe beliefert, Redakteurinnen und Redakteure die Kinder besuchen und diese im Gegenzug zu einer Besichtigung ihres Arbeitsplatzes empfangen. Aber es ist nicht die einzige. Wäre es dies, wären die Schulämter längst eingeschritten, hätten sich die Lehrkräfte abgewandt, würde die Pädagogische Hochschule nicht mit großem Engagement helfen, Materialien für den Unterricht mit der Tageszeitung zu entwickeln und zu vermitteln. Für Grundschüler ebenso wie für die Mittelstufe. Sogar für die Vorschulpädagogik gibt es mehr spannende Ansätze als Kapazitäten sie umzusetzen.
Dass Lesen gelernt sein will, diese Erkenntnis ist Allgemeingut. Aber Lesen ist mehr als das Erkennen von Buchstaben und deren Zusammenführung zu Wörtern, Sätzen und Geschichten. Lesen zu können heißt auch erkennen, ob hier jemand eine Geschichte erfindet oder ob er aus dem wirklichen Leben erzählt. Ob hier belegt wird oder behauptet. Ob jemand berichtet oder beurteilt. Und herauszuspüren, was da so alles zwischen den Zeilen erzählt wird. Ein Mensch muss all das lernen, bevor er mit 18 für mündig erklärt und für sich selbst verantwortlich wird. Auch dafür, wem er künftig auf den Leim geht.
Und Manipulateure lauern überall. Nicht nur an den Büchertischen von Sektierern und Fundamentalisten, sondern auch in den Medien, gerade in den unendlichen Tiefen des Internets. Aber überall dort lassen sich auch faszinierende Erkenntnisse und wichtige Informationen finden. Man muss das eine vom anderen zu unterscheiden lernen. Und erkennen, dass man wahrscheinlich nie vor Fehleinschätzungen gefeit sein wird.
Dass man dies und manch anderes besonders gut mit der Zeitung üben kann, liegt daran, dass sie überschaubar ist. Sie hat ein Anfang und ein Ende, ist nach verschiedenen Bereichen geordnet und erlaubt einen schnellen Überblick ebenso wie eine Vertiefung. Sie zeigt den Unterschied zwischen Information und Werbung, aber auch zwischen Information und Unterhaltung. Sie erlaubt die Diskussion darüber, was wichtig und was unwichtig ist, und sie lässt, bei der Suche nach Fehlern, die Erkenntnis von der Fehlbarkeit allen Tuns reifen. Und sie zeigt, dass guter Journalismus aufwendig und nicht kostenlos zu haben ist. Dass man mit ihr auch rechnen und basteln kann, macht sie zur willkommenen Abwechslung im Schulalltag.
Das alles hilft auch beim Umgang mit den anderen Medien, vor allem beim Umgang mit den unübersichtlichen Angeboten im Internet und den sozialen Netzwerken. Vor allem dann, wenn dieses Wissen dadurch ergänzt wird, dass Kinder sich in diesem Medium auch selbst ausprobieren, eigene Artikel, Bilder oder Comics erarbeiten können. Dass sie sich am Ende als Erwachsene ihrer Zisch-Zeitung erinnern und deren Anstrengung mit einem Abonnement entlohnen, ist alles andere als gewiss. Sie werden ihren eigenen Weg gehen, ihr eigenes Medienverhalten entwickeln. Aber wenn sie zu kritischen Mediennutzern würden und nicht zu willfährigen Konsumenten wäre schon viel gewonnen. Für uns Medien wie für die offene Gesellschaft mündiger Bürger.